Sich selbstständig machen – Ein erster Schritt zur Unternehmensgründung

Von Luo Yuanjun

Huang Xiaoming, 22, absolvierte sein Hochschulstudium im Juli diesen Jahres. Mit der Unterstützung seines Vaters hat er einen Verkaufsstand im Großhandelsmarkt Tianyi gemietet und arbeitet als privater Gewerbetreibender.

Tianyi ist einer der größten Großhandelsmärkte für kleine Gebrauchsartikel in der Stadt Beijing. Huang Xiaoming erklärte, warum er gerade hier sein Gewerbe aufnimmt: „Als ich an der Universität studierte, kam ich öfter hierher, um mir Dinge, die mir gut gefielen, zu besorgen. Hier ist der Kundenstrom stark. Wenn man ein richtiges Geschäftskonzept hat, dann braucht man sich keine Sorgen darüber zu machen, ob man Geld verdient.“

Huang Zhilong, Huang Xiaomings Vater, gehört zu den ersten privaten Gewerbetreibenden in China, die nach der Einführung der Reform- und Öffnungspolitik 1978 ihre Geschäfte aufnahmen. Am Anfang kaufte er preisgünstige Qualitätswaren in Guangzhou ein und verkaufte sie in Beijing. Da die Warenzirkulation zwischen den chinesischen Städten damals nicht durchgängig und das Warenangebot auf dem Markt nicht umfangreich war, hatte man im Grunde mit einem Verkäufermarkt zu tun. „Wenn man sich Mühe gab, dann konnte man Geld verdienen. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wieviele Tage und Nächte ich in den Zügen zwischen Guangzhou und Beijing verbracht habe“, sagt Huang Zhilong.

Heute besitzt Huang Zhilong mehrere Verkaufsstände und verfügt über ausreichend Rücklagen für das Leben im Ruhestand; größere Hoffnung setzt er allerdings auf seinen Sohn: „Ich habe keine hohe Ausbildung und versteht auch nichts von modernem Management. Für mich ist es schon gut, dass ich meine Verkaufsstände gut führe. Ich erwarte aber von meinem Sohn, dass er in Zukunft ein erfolgreicher Unternehmer wird. Sich selbstständig zu machen, ist für mich ein Weg, meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Für meinen Sohn ist es jedoch der Beginn einer Unternehmensgründung.“

Prof. Zhou Tianyong, Wirtschaftswissenschaftler an der Beijinger Universität für Wissenschaft und Technik, hat einmal gesagt, dass in einer Zeitspanne von zehn Jahren, zwischen 1994 und 2004, 7,7 Mio. private Gewerbetreibende wegen des ungünstigen Umfeldes für Existenzgründungen vom Markt verschwanden.

Er ist der Ansicht, dass die chinesische Regierung zwar zahlreiche politische Richtlinien zur Unterstützung der Entwicklung der kleinen und mittelständigen Betriebe ausgearbeitet hat, der durch die Umsetzung erzielte Effekt aber unzureichend ist, weil das frühere System nicht vollkommen umgewandelt wurde. Im Ausland braucht man sich für die Arbeitstätigkeit – wie zum Beispiel um Schuhe zu putzen – nicht registrieren zu lassen, aber in China ist dies unerlässlich, sonst übt man eine illegale gewerbliche Tätigkeit aus.

Außerdem ist er der Meinung, dass die staatseigenen Unternehmen die wichtigen Ressourcen monopolisieren und den Spielraum der Entwicklung der nichtstaatlichen Wirtschaft einengen. In der Diskussion, die neulich durch die von der chinesischen Regierung eingeleitete Reform des Systems der Einkommensverteilung ausgelöst wurde, sind die Institutionen mit Monopolcharakter zur allgemeinen Zielscheibe geworden. Besonders deutlich wird der durch die Monopole verursachte Nachteil am Beispiel der Einengung fairer Wege zur Unternehmensgründung.

Die Beeinträchtigung einfacher Leute, die Initiative ergriffen haben und sich selbstständig machen wollen, ist allerdings geringfügig, sowohl für diejenigen, die sich nur einen eigenen Lebensunterhalt sichern wollen, als auch für jene, die damit einen Ausgangspunkt für eine Unternehmensgründung verbinden.

Risiken zum Trotz: Weg der Unternehmensgründung gehen

Statistiken ist zu entnehmen, dass es im Jahr 1978 in China insgesamt 150 000 private Gewerbetreibende gab und sich bis zum Jahr 2005 – also nach einer Entwicklung über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren – 24,639 Mio. private Gewerbetreibende bei der Behörde für Industrie und Handel haben registrieren lassen. Bei ihnen sind 49,005 Mio. Personen beschäftigt. In China wird jemand als privater Gewerbetreibender bezeichnet, wenn er bis zu acht Personen beschäftigt. Beschäftigt man mehr als acht Personen, wird man als privater Unternehmer eingestuft.

In einer Situation, in der viele seiner Mitbewerber Pleite gegangen sind, konnte Huang Zhilong durchhalten und das Geschäft voranbringen – er hatte Glück. Allerdings hat es Huang Zhilong bei der Geschäftsführung nicht leicht. Das ganze Jahr hindurch hat er kaum Zeit, sich zu entspannen. Er führt seinen Erfolg auf seine Vorsicht zurück. Er sagt: „Die Konkurrenz zwischen den Mitbewerbern ist ungeheuer heftig. Als privater Gewerbetreibender hat man nur eine begrenzte Kapazität. Was ich tun kann, ist, einerseits die Kosten nach Möglichkeit zu senken und andererseits die Anstrengungen zu verdoppeln.“

Die Entwicklung bei den privaten Gewerbetreibenden in China ist darauf zurückzuführen, dass die Planwirtschaft drastisch zur Marktwirtschaft umgewandelt wurde. Professor Mao Shoulong von der Renmin-Universität meint, dass die Menschen dieser Gesellschaftsgruppe etwas gemeinsam haben: „Sie fanden z. B. im System der Planwirtschaft keine Arbeit und wurden von den tragenden Gesellschaftsschichten nicht akzeptiert. Sie sind in ihrem Charakter wagemutig und gehen Risiken ein.“

Huang Zhilong sagt, dass sein damaliger Entschluss, sich selbstständig zu machen, wirklich riskant und eigentlich auch eine Notlösung war: „Da ich damals keine geeignete Arbeit finden konnte und das Familienleben immer schwieriger wurde, ging ich notgedrungen den Weg, mich selbstständig zu machen. Ohne dass ich es erwartet hätte, übe ich diese Tätigkeit nun schon seit Jahrzehnten aus.“

Das System der Geschäftsführung der privaten Gewerbetreibenden ist das günstigste System, um private Geldmittel in Kapital umzuwandeln. Wenn man ein- oder zweitausend Yuan oder sogar nur ein paar dutzend Yuan hat, dann kann man sich selbstständig machen. Dadurch kommt ein Akkumulationsprozess ins Rollen. Das System zeigt die faszinierende Seite des Marktes und lässt die Menschen ihre eigene Kraft erkennen. Gleichgültig, ob man großen oder kleinen Geschäftssinn, viel oder wenig Geldmittel besitzt, hat man eine Chance, sich auf dem Markt einmal der Herausforderung zu stellen.

In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts verdienten die privaten Gewerbetreibenden im Allgemeinen mehr als diejenigen, die ein reguläres Beschäftigungsverhältnis vorweisen konnten, und hatten die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit vergleichsweise frei zu gestalten. Doch wurden sie in der Anfangsphase lange Zeit gering geschätzt. In der Tat galt nur ein „öffentlich Bediensteter“ als „würdevoller Mensch“. Denn wenn man „öffentlich Bediensteter“ wurde, war der Verdienst unter allen Umständen garantiert, obwohl man nicht unbedingt ein großes Vermögen erwerben konnte. Hinzu kommt, dass in diesem Fall die staatliche Fürsorge von der Wiege bis zur Bahre gewährleistet war. Dazu sagt Huang Zhilong: „Damals beneidete ich die Mitarbeiter in den staatlichen Institutionen, denen verschiedene Garantien zustanden, sehr. Sie besaßen ein Sicherheitsgefühl, das man mit Geld nicht kaufen konnte.“

Während das Eis der Planwirtschaft allmählich zu brechen begann, entschieden sich immer mehr Chinesen für die Existenz als privater Gewerbetreibender. Da sich ihre wirtschaftliche Stellung seit dem Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts ständig erhöhte, ging eine große Anzahl von öffentlich Bediensteten zur Tätigkeit im Handelsbereich über. Sich selbstständig zu machen und dadurch Geld zu verdienen, wurde eine Sache, der alle nacheiferten. Huang Zhilong sagt: „Das Schicksal der Menschen unterliegt manchmal einem unvorhersehbaren Wechsel. Ich habe wirklich nicht gedacht, dass ich jemand werden kann, von dem andere lernen.“

Überleben der Tüchtigsten

Aus den ersten privaten Gewerbetreibenden sind die ersten chinesischen Unternehmer hervorgegangen. Sie erweitern ständig ihren Geschäftsbereich, haben sich einen immer besseren Ruf erworben und sind inzwischen Vorbilder für andere. Dr. Lu Jianhua vom Forschungsinstitut für Soziologie der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften erläutert: „Zweifelsohne sind sie Produkte ihrer Zeit. Vielen privaten Gewerbetreibenden fehlt die grundlegende Bildung, die ein Manager eines Unternehmens haben sollte.“

Aufgrund ihres Mangels an Kenntnissen der modernen Betriebswirtschaftslehre oder wegen der fehlenden Fähigkeit, sich dem im Wandel begriffenen wirtschaftlichen Umfeld anzupassen, ist eine große Anzahl von privaten Gewerbetreibenden von der wirtschaftlichen Bühne abgetreten. Manche private Gewerbetreibende beginnen deshalb, ihre Geschäfte in konservativer Weise zu führen und ihr Eigentum vorsichtig zu schützen, nachdem sie eine bestimmte wirtschaftliche Stärke erreicht haben. Zu ihnen gehört auch Huang Zhilong.

Huang Zhilong sagt: „Der gegenwärtige Markt ist im Grunde ein Käufermarkt. Für private Gewerbetreibende ist es ziemlich schwer, sich durchzusetzen. Wenn man nur Expansion anstrebt, dann läuft man sehr wahrscheinlich Gefahr, Bankrott zu machen. Ich habe deshalb immer noch eine gewisse Stärke, weil ich das Warenangebot an meinen Verkaufsständen ständig erneuere und diese Waren bestimmte Besonderheiten haben.“

Unter Huang Zhilongs Konkurrenten gibt es auch sehr erfolgreiche Geschäftsleute, die Ladenketten in einigen Großstädten etabliert haben und diese führen. „Ich beneide sie und bewundere sie. Der Grund dafür, dass sie Erfolge erzielt haben, liegt darin, dass sie nicht nur den nötigen Unternehmungsgeist haben, sondern auch die Konzepte moderner Betriebswirtschaftslehre anwenden. Und gerade dieses fehlt mir.“

Als Huang Xiaoming an der Universität studierte, beschäftigte er sich mit Betriebswirtschaftslehre. Man kann sagen, dass er schon sehr früh die Vorbereitung für seine künftige Unternehmensgründung getroffen hat. In den Ferien half er seinem Vater an den Verkaufsständen oder ging mit ihm zusammen Waren einkaufen. „Ich werde mich sicherlich nicht wie mein Vater mit einem kleinen Vermögen zufrieden geben. Ich habe mir ein höheres Ziel gesetzt und bin auch bereit, Anstrengung und Strapaze auf mich zu nehmen“, verkündet Xiaoming.

Link: Private Gewerbetreibende

Die vollständige Bezeichnung für „private Gewerbetreibende“ ist „private Gewerbetreibende in Handel und Industrie“. Die Staatsbürger können im rechtlich vorgesehenen Rahmen gewerbliche Tätigkeiten in Handel und Industrie ausüben, nachdem sie sich gesetzmäßig haben registrieren lassen. Dafür sind folgende Besonderheiten zu nennen:

1. Die Zahl der Beschäftigten darf acht nicht überschreiten.

2. Formen der Geschäftsführung: Das Geschäft kann sowohl von Einzelpersonen als auch von Familien geführt werden. Bei der Geschäftsführung durch Einzelpersonen wird mit deren ganzem Vermögen für zivilrechtliche Verantwortung gehaftet; bei der Geschäftsführung durch Familien wird ebenfalls mit deren ganzem Vermögen für zivilrechtliche Verantwortung gehaftet. Das Geschäft kann auch mit Teilhaberschaft geführt werden, d. h. von zwei Personen aufwärts wird das Geschäft aus eigenem Antrieb gemeinsam geführt. Sie stellen zusammen die Geldmittel bereit und üben zusammen die gewerblichen Tätigkeiten aus. Aber die Zahl der Beschäftigten muss im vorgesehenen Rahmen gehalten werden.

3. Der Umfang des Geschäfts ist in der Regel ziemlich klein.

4. Die Art und Weise des Managements ist dadurch gekennzeichnet, dass allgemein kein ordentliches und wissenschaftliches Management praktiziert wird, wozu auch keine Notwendigkeit besteht.

 

 
Adresse: Baiwanzhuang Dajie 24, Beijing, VR China
Postleitzahl: 100037
Fax: 010-68328338
Website: http://www.chinatoday.com.cn
E-mail: chinaheute@chinatoday.com.cn
Copyright (c) China Today, All Rights Reserved.