12/2005
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Erfahrungen im Bereich der Umsiedlungsarbeit

Ma Zhenjiang, Leiter der Abteilung "Aufbau und Erschließung in Umsiedlungsgebieten" des Büros "Beseitigung der Armut von Ningxia", liegt nicht im Trend. Anders als viele Städter, die noch nicht erschlossene Naturlandschaften mögen, bevorzugt er den Anblick einer modernen Skyline. Der Grund hierfür könnte in seiner Arbeit liegen und in der Tatsache, dass er zu oft die mit der ursprünglichen Schönheit der Natur verbundene Armut gesehen hat. Herr Ma absoliverte sein Studium an der Hochschule für Landwirtschaft Ningxia. Von 1985 an begann er, sich im Alter von 24 Jahren mit der Umsiedlung von Bauern durch Urbarmachung und landwirtschaftlichen Anbau zu befassen. Ma dazu: "Seit meinem 24. Lebensjahr beschäftige ich mich mit der Umsiedlung von Bauern. Mein ganzes Leben über habe ich nur diese eine Sache gemacht. Vor mir steht keine große Zukunft." Aber durch seine Arbeit gelang es ihm in den letzten 20 Jahren, die Schicksale vieler Menschen positiv zu verändern.

Ma ist ein durch Gelehrsamkeit geprägter Beamtentyp und im Kreis der Umsiedlungsexperten landesweit bekannt. Er ist der Auffassung, dass es sich bei der Umsiedlung von Bauern aus den Bergregionen im Süden von Ningxia um die zahlenmäßig größte Umsiedlung der ländlichen Bevölkerung handelt, die seit 1949 im Westen Chinas in konzentrierter und hochgradig organisierter Form durchgeführt wurde. Das Projekt weist deutlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen auf und hinterlässt weit weniger Folgeschäden als dies bei früheren Projekten der Fall war. Zurzeit wird in etwa zwei Dutzend Provinzen die Beseitigung der Armut durch Umsiedlung angestrebt. Dabei ermöglichen es die positiven Erfahrungen aus Ningxia, Lehren für andere Regionen zu ziehen. Ma ist mit der Beseitigung der Armut nicht nur gefühlsmäßig verbunden, sondern stellt durchaus auch rationale Überlegungen an.

Seit 1983 wurden in Ningxia bereits 25 Basen zur Bauern-Umsiedlung aufgebaut, 830 000 Mu Ackerböden (1 Mu = 1/15 ha) erschlossen und 412 000 Bewohner von "Xihaigu" -Gesamtbezeichnung für acht Kreise im Süden von Ningxia-untergebracht. Die Umsiedlung von Bauern durch Urbarmachung und landwirtschaftlichen Anbau an einem anderen Ort ist eine wichtige Form der Beseitigung von Armut. Durch die Erschließungspolitik wurde bereits ein großer Teil der in trockenen, kalten Bergregionen sowie in bitterer Armut lebenden Bevölkerung an die Bewässerungsgebiete des Gelben Flusses umgesiedelt. Ihre äußerst harten Lebensumstände wurden dadurch von Grund auf verändert. Sie können nun mit ausreichender Kleidung und Nahrung versorgt werden, so dass sie ihre Armut überwinden und zu Reichtum gelangen können. Zudem wird durch eine Umsiedlung der Bevölkerungsdruck am Ausgangsort gelindert, was vor allem für die Erhaltung und Verbesserung der Umweltbedingungen sehr wichtig ist. In diesem Sinne ist die Umsiedlung von Bauern durch Urbarmachung und landwirtschaftlichen Anbau auch eine ökologische Umsiedlung und steht somit in engem Zusammenhang mit dem 2001 eingeleiteten Projekt der "ökologischen Umsiedlung".

International ist im Bereich der Migrationsforschung vor allem E. G. Ravensteins "Push and Pull Theory" bekannt. Ravenstein ist der Ansicht, dass Migration von zwei Kräften, nämlich der schiebenden Kraft des Ausgangsortes und der anziehenden Kraft des Zielortes bestimmt wird. Ein wichtiges Prinzip der Umsiedlungsarbeit ist, dass der Ausgangsort äußerst schlechte Lebensbedingungen und Mangel an natürlichen Ressourcen hat mit der Folge, dass die Bewohner durch heimische Ressourcen nicht ausreichend ernährt werden können. Gleichzeitig muss der Zielort über reiche Bodenressourcen, flache Felder und gute Bewässerungsbedingungen verfügen.

Die Umsiedlung hat weitere Entwicklungen zur Folge. So gibt es beispielsweise viele Menschen, die durch den Kauf von Ackerböden von früher umgesiedelten Bauern ihre eigene Migration verwirklichen. Das zeigt, dass die Beseitigung der Armut durch Umsiedlung durchaus den allgemeinen Wünschen der Bewohner entspricht. Außer den oben bereits genannten Kräften gibt es für die Umsiedlung von Bauern in Ningxia noch eine dritte Kraft, die von Bedeutung ist, nämlich die Unterstützung durch die Regierung. Die Umsiedlung von Bauern wurde mit starker Unterstützung seitens der Regierung durchgeführt, was international große Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein grundlegendes Prinzip der Umsiedlungsarbeit ist der Aspekt der Freiwilligkeit: Die Wünsche von Bauern werden ausreichend respektiert, und zur Umsiedlung wurde niemand gezwungen. Um die Bedenken der "Umsiedler" zu beseitigen, wird ihnen erlaubt, dass sie für die Dauer von drei Jahren Wohnhäuser und Felder an zwei Orten gleichzeitig haben. Die Wünsche derjenigen, die nicht umsiedeln wollen, werden auch ausreichend respektiert.

Das Projekt der Umsiedlung ist sehr umfangreich, da es viele verschiedene Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie z. B. Produktion, Verkehr, Landwirtschaft, Wasserwirtschaft, medizinische Versorgung und Finanzwesen betrifft. Selbst das Angebot von Toiletten muss bei einer solchen Planung in Betracht gezogen werden. Auch die Verteilung der Gelder muss genau geregelt sein, so muss man im Rahmen seiner Möglichkeiten handeln und darf nicht in Größenwahn verfallen. Statistiken von Anfang 2000 zeigen, dass die durchschnittliche Investitionssumme in die Umsiedlung eines Bauern bei 884 Yuan lag, zudem wurden pro Mu weitere 500 Yuan in den Ackerboden investiert. Das ist im Vergleich zu anderen Projekten sehr niedrig. Umsiedlungen im Ausland verschlingen pro Person circa 10 000 US-Dollar, die Kosten für die Umsiedlung der vom Drei-Schluchten-Projekt betroffenen Menschen an den Ufergebieten des Yangtse liegen bei 30 000 Yuan (ca. 3 000 Euro) pro Person. Ein weiterer Vorteil des Ningxia-Projekts ist die Tatsache, dass vier oder fünf Jahre nach der Ansiedlung die investierten Geldmittel wieder zurückgewonnen werden können.

Aufgrund der begrenzten finanziellen Möglichkeiten kam es in der Frühphase zu "Geburtsfehlern", vor allem aufgrund mangelnder Erfahrungen. So wurden viele Faktoren nicht ausreichend berücksichtigt, und die Vorausplanung war ebenfalls mangelhaft. Die damalige Zielsetzung war, die umgesiedelten Bauern mit ausreichender Kleidung und Nahrung zu versorgen. Evaluationsmaßstab war: jede Person soll jährlich über 300 kg Getreide verfügen, ein Pro-Kopf-Nettoeinkommen von 300 Yuan aufweisen, sowie zwei Mu Ackerböden besitzen, zudem bekam jeder Haushalt ein Mu zum Bau des Wohnhauses. Heute weißt man, dass damals Probleme der zweiten und dritten Umsiedlungsgeneration nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Nachdem in der Armutsbeseitigung nun auch der ökologische Aspekt Aufmerksamkeit erhält, wurden noch größere Investitionen seitens des Staates vorgenommen, d. h. für aus ökologischen Gründen umgesiedelte Bauern wurde mehr Geld ausgegeben als dies bei regulärer Urbarmachung und landwirtschaftlichem Anbau der Fall war. Im Vergleich zur früheren besitzt die heutige Planung mehr Inhalt und vor allem auch eine bessere Vorausplanung. Der Mindestbezug hinsichtlich der Versorgung mit ausreichender Kleidung und Nahrung wurde erhöht und liegt heute bei 625 Yuan pro Person.

Die Verwaltung der "Umsiedler" spielt eine Schlüsselrolle bei der Durchführung eines erfolgreichen Umsiedlungsprojekts. In Ningxia wurde früher ein so genanntes "Ausgangsort-Verwaltungsmodell" praktiziert. Dies bedeutet, dass die Lokalregierung des Ausgangsorts die Meinung vertrat, die umgesiedelten Bauern wären nach wie vor der Wirtschaft des Ausgangsorts zuzurechnen. Dieses System erwies sich jedoch als problematisch. Unter anderem wurden manche umgesiedelte Bauern an ihrem neuen Wohnort schnell zu Störenfrieds, die Kriminalitätsrate stieg an und das Bevölkerungswachstum geriet außer Kontrolle. Ende der 80er Jahre wurde deshalb das "Zielort-Verwaltungsmodell" versuchsweise eingeführt. Es etablierte sich in den 1999 Jahren allmählich und seit 2002 wird das Zielort-Verwaltungsmodell auf alle zum Zweck der Urbarmachung und des landwirtschaftlichen Anbaus umgesiedelten Bauern angewandt.

2000 wurde die Arbeit der Umsiedlung durch die Urbarmachung und landwirtschaftlichen Anbau an einem anderen Ort im Großen und Ganzen beendet. In diesem Jahr geht auch das Projekt der ökologischen Umsiedlung langsam zu Ende. Aber die Arbeit der Verwaltung im Anschluss an einen Umsiedlungsprozess ist längst noch nicht abgeschlossen. Auch ändert sich die Hauptarbeit des Büros für Armutsbeseitigung. Bisher lag der Fokus auf der Geldmittelakquirierung für den Aufbau der Infrastruktur wie für Wasserbau, Straßenbau, sowie für die Errichtung von Elektrizitäts- und Telekommunikationsanlagen. Nun liegt das Hauptaugemerk auf der Gewinnung politischer Unterstützung sowie auf der Vergrößerung der Finanzmittel für Fort- und Berufsausbildung. Denn nur so können die Probleme der "Umsiedler" in der Entwicklung gelöst werden.

In Ningxia sind die Wohnviertel der "Umsiedler" hauptsächlich im Gebiet um Yinchuan, die Hauptstadt dieses autonomen Gebiets, konzentriert. Würde den "Umsiedlern" keine Hilfe zur Selbsthilfe gewährt, hätte das fatale Folgen. Es stünde zu befürchten, dass sich von armen "Umsiedlern" bewohnte Randstreifen um Yinchuan bilden könnten. Deshalb setzte sich die Lokalregierung zum Ziel, den Lebensstandard der "Umsiedler" bis 2010 dem der einheimischen Bauern sukzessive anzugleichen.

 
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