12/2005
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Das Jahr 2005: Chinas neuer Ausgangspunkt

Von Qiao Tianbi

Laut einem hochrangigen Beamten Chinas ist 2005 das Jahr der Reform. Blickt man jetzt, wo das Jahresende vor der Tür steht, auf 2005 zurück, kann man sehen, dass China sich in rasantem Tempo beständig weiterentwickelt, doch ist gleichzeitig auch eine Veränderung innerhalb der Entwicklung zu erkennen. China schenkt nun nicht mehr nur dem Tempo seiner wirtschaftlichen Entwicklung und materiellen Wachstum Aufmerksamkeit. Vielmehr beginnt die Regierung, vermehrt Wert auf die Qualität der Entwicklung sowie auf Gerechtigkeit und Harmonie innerhalb der Gesellschaft zu legen. Dieser Paradigmenwechsel bestimmt die künftige Entwicklung Chinas.

Bildung für Alle: Symbol gesellschaftlicher Gerechtigkeit

Deng Ying ist Lehrerin für bildende Kunst in der 13. Mittelschule der Stadt Xuzhou, Provinz Jiangsu. Sie war schockiert über den Zustand der Shunhe-Mittelschule, die weniger als 100 km vom Stadtgebiet Xuzhous entfernt liegt. Die meisten Klassenzimmer der Shunhe-Mittelschule haben jeweis 70 bis 80 Schüler zu fassen, im schlimmsten Fall gar 94. Die Schüler übernachten in den Internaten, die nichts weiter als umgebaute Klassenzimmer sind. In jedem Schlafzimmer übernachten insgesamt 80 Schüler. Sie schlafen zu viert in Etagenbetten. Im Vergleich zur Shunhe-Mittelschule, die die ärmste Mittelschule der Stadt auf Gemeindeebene ist, arbeitet Deng Ying im Paradies. Ihre Mittelschule ist eine Vorbildmittelschule von Xuzhou. Doch mittlerweile haben die beiden Mittelschulen eine Partnerschaft unter dem Motto "Austausch und Unterstützung - eins zu eins" abgeschlossen, wonach die Mittelschule von Deng Ying der Shunhe-Mittelschule Lehrkräfte und anderweitig materielle Hilfe zur Verfügung stellt. Diese Art von Unterstützung steht ganz im Geist des Ziels "Bildung ohne Differenzen", welches 2005 vom Ministerium für Bildungswesen als erstrebenswert anerkannt wurde. "Bildung ohne Differenzen" ist Ausdruck eines Wandels, weg von der schwerpunktmäßigen Unterstützung hin zu einer ausgewogenen Entwicklung des chinesischen Bildungswesens.

In den letzten fünf Jahren hat China beachtliche Erfolge bei der Beseitigung des Analphabetentums bei jungen Leuten und Leuten mittleren Alters sowie bei der Verbreitung der allgemeinen Schulpflicht erzielt. 2004 sank die Analphabetenrate bei Leuten dieser Altersgruppen unter 4%. Dies ist der Beginn weg von China als schlicht bevölkerungsreichstem Land hin zu einem Land mit großen Personalressourcen verschiedener Qualifikationen. Das chinesische Hochschulwesen trat dadurch in eine neue Phase seiner Entwicklung ein. Insgesamt umfasst das Hochschulwesen 20 Mio. Menschen, womit China weltweit auf Platz 1 rangiert. 2004 waren 19% aller 18-22-jährigen Chinesen als Studenten an verschiedenen Universitäten eingeschrieben. Die Anzahl der Studierenden hat sich innerhalb von sechs Jahren verdoppelt.

Aber das Bildungswesen, die medizinische Betreuung und Gesundheitsfürsorge sowie die Wohnbedingungen sind die Bereiche, die im Jahr 2005 nichtsdestotrotz stark in der Kritik standen. Gemäß der staatlichen Vorgabe sollen die Investitionen im Bildungswesen 4% des Bruttoinlandsproduktes betragen, doch liegt dieser Prozentsatz aktuell lediglich bei rund 3%. Ein Prozentpunkt des chinesischen Bruttoinlandsproduktes sind alleine 130 Mrd. Yuan. Die an sich schon stark begrenzten Bildungsausgaben werden zu stark im Bereich der nicht-allgemeinen Schulpflicht eingesetzt. Zudem werden im Bereich der allgemeinen Schulpflicht den schwerpunktmäßigen und vorbildlichen Schulen vergleichsweise zu viele Geldmittel zugeteilt. Zurzeit bringt die allgemeine Schulpflicht lediglich eine Befreiung vom Schulgeld mit sich. Unkosten sowie die Kosten für Lehrbücher müssen die Eltern selbst tragen. In manchen Internatsschulen kommen auf die Eltern noch Wohnkosten zu, die besonders für arme Familien ziemlich hoch sind. Außerdem sind die zu hohen Hochschulgebühren eine große Belastung für viele Studenten aus armen Familien. Angaben des Ministeriums für Bildungswesen zufolge lebten Ende 2004 ca. 2,7 Mio. Studenten in ärmlichen Verhältnissen. Dies entspricht ungefähr 20% aller Studenten des Landes.

Bildung ist in China der wichtigste Weg, über den Chinesen niederer Schichten in höhere Schichten der Gesellschaft gelangen können. Gerechtigkeit im Bildungswesen sichert dem Bürger gleiche Rechte und Gelegenheiten dafür, sich durchsetzen zu können. Sie ist auch eine wichtige Garantie dafür, die Früchte der gesellschaftlichen Entwicklung gleichberechtigt zu teilen. Die Rechte jedes Bürgers zu gewährleisten, insbesondere die der aus armen Familien stammenden, gut ausgebildet zu werden, betrifft das Gerechtigkeitsverständnis der gesamten Gesellschaft. Daher ist es wichtig und richtig, dass die chinesische Regierung beim Aufbau einer harmonischen Gesellschaft dieses Problem mit großem Engagement lösen will.

Ministerpräsident Wen Jiabao äußerte Anfang dieses Jahres, dass China bis 2007 die Probleme hinsichtlich der allgemeinen Schulpflicht von Kindern in armen Gebieten vollständig lösen will. Dementsprechend führt das Ministerium für Bildungswesen einen speziellen Plan zur Unterstützung der westlichen bzw. der armen Gebiete durch. So wurden spezielle Geldmittel für den Umbau schäbiger Häuser der Mittel- und Grundschulen auf dem Land freigegeben. Um das Ziel, dass kein einziger Student wegen finanzieller Schwierigkeiten sein Studium unterbrechen muss, zu erreichen, errichtete China vor fünf Jahren das Stipendiumsystem in Form von speziellen Bankkrediten für Studenten. Bisher wurden Anträge von 1,15 Mio. Studenten überprüft und insgesamt 1,08 Mio. Studenten haben Kredite in Höhe von 6,98 Mrd. Yuan erhalten. Im August dieses Jahres etablierten das Ministerium für Bildungswesen und das Finanzministerium gemeinsam das "Staatliche Stipendium". 530 000 Studenten aus besonders armen Familien erhalten auf diese Weise monatlich 150 Yuan pro Kopf. Unter ihnen befinden sich 50 000 Studenten, die sowohl hinsichtlich ihrer charakterlichen Haltung als auch ihrer Studienleistungen sehr gut sind. Sie werden jährlich mit 4000 Yuan pro Kopf unterstützt. In den kommenden fünf Jahren stehen folgende Entwicklungsziele auf der staatlichen Agenda: So gilt es, die allgemeine Schulpflicht zu verbreiten und zu konsolidieren, die Reform des Bildungssystems zu vertiefen, eine vielseitige Erziehung allseitig auszuführen und eine größere gesellschaftliche Gerechtigkeit im Bereich des Bildungswesens zu erzielen.

Abschaffung der Landwirtschaftssteuern, um gemeinsam reich zu werden

Zheng Chanzi ist Bauer in der Provinz Hebei. Er sagt: "Früher mussten wir 110 Yuan Steuern pro Mu (15 Mu = 1 Hektar) zahlen. Nach der Senkung bzw. Erlassung einiger Steuern und Gebühren beträgt die Summe heute nur noch 60 Yuan. Außerdem subventioniert der Staat den Getreideanbau mit 14 Yuan pro Mu und hochwertige Saatsorten mit 10 Yuan pro Mu. Wenn man einen Traktor kauft, kann man ebenfalls Unterstützung von der Regierung beantragen." In der ersten Hälfte des Jahres 2005 wuchs in China das Pro-Kopf-Einkommen der Bauern um drei Prozentpunkte schneller an als das der städtischen Einwohner. Aktuell beläuft es sich auf 1586 Yuan. Derzeit sind die Bauern in 28 Provinzen von den Landwirtschaftssteuern befreit. In den Provinzen Hebei, Shandong und Yunnan wurde der Landwirtschaftssteuersatz auf weniger als 2% gesenkt. 2006 werden alle Landwirtschaftssteuern erlassen werden.

Der anfängliche Impuls für die Industrialisierung Chinas kam aus der Landwirtschaft. Die statistischen Angaben zeigen, dass die Bauern in den 30 Jahren von 1953 bis 1983 mehr als 600 Mrd. Yuan zur Industrialisierung Chinas beitrugen. Ende der 80er Jahre begann man mit der Systemreform in den Städten Chinas, im Fokus der staatlichen Politik standen die Städte. Zwar stieg Chinas Pro-Kopf-BIP auf 1000 US-Dollar, doch tauchten auch Probleme auf. Das Wachstum der Landwirtschaft verlangsamte sich, das Einkommen der Bauern erhöhte sich vergleichsweise wenig, derweil die Einkommensunterschiede zwischen Bauern und Städtern immer größer wurden. Im Zeitraum von 2001 bis 2004 hat sich der Abstand der Einkommen zwischen ländlichen und städtischen Familien von 2,9fach (2001) auf 3,2fach (2004) erhöht.

Die jetzige Regierung Chinas setzt ihre Kräfte dafür ein, die verschiedenen Probleme und Widersprüche, die bei der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung entstanden sind, zu lösen, darunter insbesondere die ungerechte Einkommensverteilung. Den sozial schwachen Gruppen, besonders den 900 Mio. Bauern, wird nun große Aufmerksamkeit zuteil. Seit 2003 hat die Regierung sukzessive eine Vielzahl von Reformmaßnahmen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete getroffen. Es wird betont, dass hierbei verschiedene Mittel genutzt werden sollen, so z. B. Finanz-, Steuer- und Preispolitik, um so die Einkommen der Bauern zu erhöhen. 2004 betrugen die freigesetzten Mittel zur Lösung der Probleme der Bauern, der ländlichen Gebiete als auch der Landwirtschaft insgesamt 262,6 Mrd. Yuan. Das entspricht einer Zunahme um 22,5% im Vergleich zum Vorjahr. In diesem Jahr wies Ministerpräsident Wen Jiabao darauf hin, dass die Regierung weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Bauern ergreifen will, um diese von der Marktwirtschaft nicht völlig Begünstigten zu unterstützen. So sollen unter anderem die Landwirtschaftssteuern im Jahr 2006 völlig erlassen werden. Vor kurzem fand die 5. Plenartagung des vom 16. Parteitag gewählten Zentralkomitees der KP Chinas in Beijing statt. Das Zentralkomitee der KP Chinas hielt fest, mit allen Mitteln die Einkommen der Bauern erhöhen zu wollen, und sieht es als wichtige Aufgabe der Modernisierung an, neue ländliche Gebiete im Sozialismus aufzubauen.

Vor kurzem hat das Staatliche Statistikamt eine Stichprobenuntersuchung bei 68 000 bäuerlichen Familien durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Landwirtschaftssteuern in der ersten Hälfte 2005 weniger als ein Yuan pro Kopf betrugen. Zurzeit gibt es in China 11 Provinzen und Städte auf Provinzebene, die Reformmaßnahmen getroffen haben, um ein einheitliches Einwohnerregistersystem für Stadt und Land zu schaffen, um so die bisherige binäre Struktur von Stadt und Land aufzubrechen. Darüber hinaus werden restriktive Bestimmungen für Wanderarbeiter in der Stadt, die vom Land kommen, auf den Prüfstand gestellt und unvernünftige Gebühren beseitigt. Bis die Einkommen der Bauern jedoch angemessen gesteigert werden können, wird noch einige Zeit vergehen, vor allem vor dem Hintergrund, dass in diesem Jahr die Preise für Energie und Produktionsmittel, wie z. B. für chemisches Düngemittel, stark angestiegen sind, während gleichzeitig die Preise für Getreide wieder fallen.

Nachhaltige Entwicklung bedeutet: mit der Natur Frieden schließen

Die Firma Bentley, die eine der weltweit teursten Automarken besitzt, erklärte, dass sie, nachdem sie 2002 auf den chinesischen Markt kam, in China drei Rekorde aufgestellt hat: Nirgendwo im asiatisch-pazifischen Raum setzt Bentley mehr um; das Verkaufswachstum ist weltweit spitze; und der Absatz des Bentleys 728, welcher 11,88 Mio. Yuan kostet, steht weltweit ebenfalls an erster Stelle. Viele Leute in Chian konsumieren gerne. Gleichzeitig gibt es aber auch zahlreiche normale Autobesitzer, die dem "Ölmangel", der durch die Steigerung der Ölpreise verursacht wurde, große Aufmerksamkeit schenken. Der frühere Drang, beim Kauf eines Autos eines mit möglichst großem Hubraum zu erwerben, um das Gesicht zu wahren, hat sich mittlerweile geändert. Ölsparende, kleine Autos erhalten nun den Vorzug.

Leider existiert noch in 84 Städten aus 22 Provinzen, autonomen Gebieten und regierungsunmittelbaren Städten eine Verordnung, welche die Anzahl von Autos mit kleinem Hubraum beschränkt mit der Begründung, diese würden dem Stadtbild schaden und Verkehrsstaus verursachen. Doch klar ist: So wie die normalen Chinesen ihre Gewohnheiten beim Autokauf, so muss auch China sein Entwicklungsmodell verändern. Zahlreiche Experten befürchten bereits, China könne zum "schwarzen Loch" für Energie und Ressourcen werden, sollte es sein extensives Wirtschaftswachstum mit seinem hohen Energieverbrauch nicht ändern. Wäre dies der Fall, könnte auch Chinas politische Sicherheit in Gefahr geraten. Doch manche ausländische Medien sind sich sicher: Im 19. Jahrhundert lehrten England und Europa der Welt das Produzieren; im 20. Jahrhundert gaben die USA der Welt Unterricht im Konsumieren; und im 21. Jahrhundert wird China der Welt beibringen, wie sich ein Land nachhaltig entwickeln kann.

Chinas Ziel war es, die Abgasemission im Jahre 2005 um 10% von dem Wert von 2000 zu drücken. Obwohl die Luftverschmutzung in vielen Großstädten effektiv reguliert wurde, kann dieses ambitionierte Ziel nicht verwirklicht werden, obwohl sich der Wert der industriellen, festen Abfallstoffe inzwischen deutlich vermindert hat. Auf der Negativseite gilt es festzuhalten, dass sich der Ausstoß von Schwefeldioxid bedauerlicherweise erhöht hat. Zurzeit ist der Energieverbrauch chinesischer Unternehmen im Vergleich mit europäischen oder US-Unternehmen 2- bis 3-mal so hoch. Im Vergleich zu Japan entspricht der Verbrauch mancher Energien sogar fast dem 20fachen. Berechnungen aus dem Jahre 2003 zufolge beträgt der wirtschaftliche Schaden durch die Umweltverschmutzung und die Störung des ökologischen Gleichgewichts 15% des BIP.

Will China sein Ziel, das Pro-Kopf-BIP bis 2010 zu verdoppeln, verwirklichen und gleichzeitig die vorhandene Umweltqualität erhalten, muss die Produktivität der Ressourcen um das 4- bis 5fache erhöht werden. China muss den Weg der nachhaltigen Entwicklung einschlagen und eine ressourcensparende und umweltfreundliche Gesellschaft aufbauen. Die chinesische Regierung hat das erkannt und 2005 das Ziel einer sparenden Gesellschaft ausgegeben. Die Regierungsapparate sind aufgefordert, mit gutem Beispiel voranzugehen.

Anfang dieses Jahres benannte das Staatliche Hauptamt für Umweltschutz 30 Projekte, die den geltenden Umweltrichtlinien zuwiderlaufen. Darunter sind auch Projekte manch staatseigener Großunternehmen zu finden. Das entschlossene Vorgehen der Regierung wird in den Medien als "Sturm des Umweltschutzes" gepriesen. Pan Yue, Vizeleiter des Staatlichen Hauptamtes für Umweltschutz, sagt, dass das Staatliche Hauptamt für Umweltschutz den Wandel vom "Umweltschutz eines Projektes" hin zum "Umweltschutz einer Planung" aktiv fördern wird. Darüber hinaus ist vorgesehen, die Auswirkungen von Bauprojekten auf die Umwelt tiefgreifender zu untersuchen, bevor man ein großes Flusseinzugsgebiet wirtschaftlich erschließen will. Im August dieses Jahres unterzeichneten 17 Großunternehmen, die unmittelbar dem Zentralkomitee der KP Chinas unterstellt sind, eine Absichtserklärung, die Ressourcen von nun an sparsamer in Anspruch zu nehmen. Sie versprachen dem Staatsrat, innerhalb von drei bis fünf Jahren das internationale Niveau im Bereich der Energiesparung erreichen zu wollen.

Für die kommenden fünf Jahre hat China das Ziel ausgegeben, den Energieverbrauch um 20% gegenüber dem heutigen Wert zu vermindern. Die Recycling-Wirtschaft soll weiterentwickelt, der Umweltschutz intensiviert und die Gesellschaft dazu gebracht werden, Ressourcen zu schonen und gesund und zivilisatorisch zu konsumieren.

Vom "Plan" zur "Planung": die Funktionsveränderung der Regierung

Ganz dem Modell der Sowjetunion folgend arbeitete China seit 1953 alle fünf Jahre einen Entwicklungsplan für Volkswirtschaft und Gesellschaft aus. Hauptaufgabe war es, ein großes rückständiges Agrarland wie China zu industrialisieren. Nach der Einführung der Reform- und Öffnungspolitik hat China ein wahres Wunder hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Entwicklung erfahren. Vor kurzem wurde auf der 5. Plenartagung des vom 16. Parteitag gewählten Zentralkomitees der KP Chinas der Begriff "Plan" gestrichen und durch "Planung" ersetzt, was eine deutliche Abkehr von der mehr als 50-jährigen Tradition bedeutet. Dementsprechend wurde für die Entwicklung von Volkswirtschaft und Gesellschaft für die kommenden fünf Jahre (2006-2010) eine Planung ausgearbeitet. Es ist bereits die 11. Fünfjahresplanung in der Geschichte Chinas.

Beobachter haben bereits eine tiefe Bedeutungsänderung zwischen einem "Plan" und einer "Planung" festgestellt. Professor Ye Duchu von der Zentralen Parteihochschule meint, dass die Ausarbeit der 11. Fünfjahresplanung in erster Linie eine Wende oder einen neuen Anfang bedeutet. Dabei handelt sich es nicht um eine bloße Namensänderung. Die Regierung verändert ihre Funktion, wobei sie nun größeren Wert darauf legen will, die grundlegende Funktion des Marktes für die Ressourcenverteilung und -anordnung zu berücksichtigen. Die vielen quantitativen Planziffern verlieren allmählich an Wichtigkeit. Die Regierung beachtet mehr die Makrokontrolle und -steuerung.

Darüber hinaus kann man in der 11. Fünfjahresplanung die Entschlossenheit Chinas erkennen, die Reform des Verwaltungssystems voranzutreiben. Neuerdings werden zur Einschätzung der Fähigkeiten der Beamten die gesellschaftliche Entwicklung, das Bildungswesen, der Umweltschutz und die Beschäftigungslage "starres Soll" betrachtet. Das wirtschaftliche Wachstum spielt eine untergeordnete Rolle und wird nur mehr als "weiche Kennziffer" angesehen. Kurzum, die wirtschaftliche Entwicklung spielt nicht mehr die dominierende Rolle bei der Prüfung von Beamten.

In der Gesamtplanung betont man nicht mehr immer nur die Beschleunigung der wirtschaftlichen Entwicklung. Großer Wert wird nun auf die Erhöhung des gesellschaftlichen Dienstleistungsniveaus und den Umweltschutz gelegt. Die öffentlichen Finanzen und das staatseigene Vermögen werden hauptsächlich in öffentliche Produkte und den Bereich der öffentlichen Dienstleistung investiert. Die Investitions- und Wirtschaftsaktivitäten, die profitorientiert, vom Markt abhängig und risikotragend sind, sollen schrittweise abgebaut werden.

Nachdem das chinesische Pro-Kopf-BIP 2003 zum ersten Mal die Marke von 1000 US-Dollar übertraf, sind sich die Experten einig: China tritt nun in die goldene Entwicklungsphase und gleichzeitig eine Schlüsselperiode der Öffnungs- und Reformpolitik ein. Aber gerade in dieser Zeit werden tiefverwurzelte Widersprüche zu Tage treten. Tang Min, Chefökonom der Asien-Bank in Beijing, meint: "Wie man die Probleme der gesellschaftlichen Entwicklung wie z. B. die im Bildungswesen und Gesundheitswesen sowie die Polarisierung zwischen Arm und Reich lösen kann, wie man es erreicht, dass das wirtschaftliche Wachstum die Mehrzahl der Bürger begünstigt, und wie die Kosten für die Entwicklung reduziert werden können - das alles sind Fragen, die China in den nächsten fünf Jahren schwerpunktmäßig zu lösen hat."

 
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