11/2005
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China auf dem Studienplan – Ausländische Studenten in Beijing

Von Kerstin Brümmer

50 000 – Das ist die Zahl der in Beijing studierenden Ausländer. Zwischen insgesamt 65 Hochschulen können ausländische Studierende in der chinesischen Hauptstadt wählen, was nicht zuletzt Grund dafür ist, dass Beijing so viele Foreigners anlockt und die Region mit den meisten ausländischen Studenten im Land geworden ist. Insgesamt waren im vergangenen Jahr 86 000 Ausländer an chinesischen Hochschulen eingeschrieben. Tendenz steigend. Vor zwanzig Jahren waren es in ganz China gerade mal 8000. Die Öffnungspolitik der chinesischen Regierung kommt somit auch immer sichtbarer dem Hochschulsystem zugute und mehr und mehr Studenten aus der ganzen Welt zieht es in das Reich der Mitte.

Die Sprache ist das Ziel

Ob Ingenieurwesen, Architektur oder Wirtschaft, die Bandbreite der Fächer ist groß. Nichts, was nicht im Vorlesungsverzeichnis einer der zahlreichen Unis zu finden wäre. Das erste Ziel eines jeden ausländischen Studenten in Beijing ist jedoch nicht der Hörsaal des eigenen Fachbereichs. Fast alle teilen einen gemeinsamen Vorsatz: die chinesische Sprache erlernen, vertiefen oder auffrischen. Mandarin sei schließlich die Sprache der Zukunft, so die jungen Akademiker.

Dass ein gewisses Maß an Motivation und vor allem Ausdauer und Disziplin dazugehören, um der fremden Sprache mächtig zu werden, darüber sind sie sich alle bewusst. „Ich hatte mir vorgenommen, nur chinesisch zu sprechen, aber nach einer gewissen Zeit wird man faul und spricht wieder in seiner Muttersprache.“ Karen ist Amerikanerin und seit mehreren Monaten in Beijing. Ihr Studienprogramm ist eines der bislang noch wenigen, das komplett auf englisch gehalten wird, so dass sie ihrem Fachstudium folgen kann. Ihre Chinesisch-Kenntnisse seien ganz ok, aber noch sehr ausbaufähig, gesteht sie ein und wendet ihren Blick in Richtung Michael und Taylor, die in fließendem Mandarin mit der Bedienung scherzen. Die beiden hätten es richtig gemacht und seit September nur Chinesisch gelernt und gesprochen. Ein Intensiv- Sprachprogramm über zwei Semester haben Michael und Taylor absolviert. Im Vergleich zu Karen hatten sie erheblich weniger Freizeit und haben jeden Tag bis zu 50 neue Zeichen gelernt. „Wenn man soviel lernen muss, dann ist das Leben in Beijing alles andere als angenehm. Nicht wenige der Studenten in unserem Programm finden die Stadt hässlich und sind ungern hier.“

Für Michael und Taylor hat sich die Mühe jedoch sehr gelohnt. Da sie beide bereits einen Universitätsabschluss vorweisen können, haben sie schnell einen Job bei amerikanischen Wirtschaftsunternehmen gefunden, wo sie von jetzt an als “China-Experten“ ihre Sprachkenntnisse zum Einsatz bringen.

Wudaokou oder the University Town of Beijing

Durch die 50.000 ausländischen Studenten, die in Beijing leben und studieren, haben einige Viertel ein enorm kosmopolitisches Flair angenommen. Die Dichte an Universitäten ist besonders groß im Haidian-Bezirk, wo auch der Großteil der Studenten aus dem Ausland wohnt.


Zwischen der renommierten Tsinghua-Universität und der Beijinger Sprachenuniversität liegt Wudaokou. Noch vor zehn Jahren war dies eine teilweise ländliche Gegend, doch heute ist es ein weiteres der völlig umgebauten Viertel Beijings. Neben der brandneuen S-Bahn-Station, die die Gegend an das Zentrum anbindet, gibt es eine Vielzahl an Geschäften, Buchläden und trendigen Restaurants, wobei die Auswahl von traditioneller chinesischer Küche, koreanischen oder japanischen Spezialitäten hin zu amerikanischen Fast Food Ketten und italienischer Pasta und Pizza für jeden Geschmack etwas zu bieten hat. Es fehlen natürlich auch nicht die gemühtlichen Cafés, die von den Studenten all zu oft zum Lernen, Lesen, Klönen oder auch in der Tat Kaffeetrinken aufgesucht werden.

Melting Pot wider Nachtleben mit kulturellen Schranken

Für viele ausländische Studenten ist das Nachtleben in Wudaokou die Top-Attraktion. „Am Wochenende ist hier mächtig was los“, so Flavien aus Paris, der während des Sommers einen Sprachkurs belegt. Er geht gerne in die Clubs zum Tanzen, um Leute kennen zu lernen. Am vergangenen Wochenende hatte er jedoch ein für ihn einschneidendes Erlebnis. Er war mit Freunden auf der Tanzfläche, als einer der Verantwortlichen des Clubs ihn zur Seite nahm und ihm sagte, er tanze zu viel und möge doch von der Tanzfläche gehen. „So etwas ist mir noch nie passiert, ich war wirklich geschockt!“

Kulturelle Unterschiede zwischen den Foreigners und Chinesen sind, was Feiern, Trinken und Tanzen anbelangt, noch immer groß. So haben all die Bars und Clubs im Bezirk eines gemeinsam, die Gäste sind zum Großteil ausländische Studenten und ihre chinesischen Kommilitonen sind eher seltener hier an Theken und Tanzflächen anzutreffen, was nicht heißt, dass chinesische Studenten nicht gerne ausgehen. Aber während die jungen Leute aus Übersee gerne und oft feiern, sind chinesische Studenten, die einen harten Aufnahmeprozess durchlaufen haben, um an die Uni aufgenommen zu werden, eher weniger auf den wöchentlichen Parties vertreten und öfter in der Bibliothek zu finden. Lili z.B. ist 24, hat gerade ihr Studium beendet und einen Job gefunden. Sie besucht ihre Cousine in Beijng und die beiden trinken einen Cocktail in einer der Bars in Wudaokou. „Ich bin zum ersten Mal überhaupt in einer Bar, als Studentin habe ich sehr viel gelernt und hatte keine Zeit zum Feiern, wie die meisten chinesischen Studenten habe ich mein Studium sehr ernst genommen.“

Wohnen auf chinesisch?

Mit der Zunahme des internationalen Interesses an der chinesischen Sprache, schreiben sich immer mehr ausländische Studenten in Sprachprogrammen an den verschiedenen Unis ein, so dass die Welle der Neuankömmlinge aus dem Ausland mit jedem Semesterbeginn größer wird. „Das macht sich besonders auch bei der Wohnungssuche bemerkbar. Anfang September sind Appartements in Wudaokou, besonders nahe der Beijinger Sprachenuniversität, sehr gefragt.“ Jen wird wie viele andere für die nächsten sechs Monate Chinesisch an der Beijinger Sprachenuniversität lernen. Sie wohnt mit einer Chinesin zusammen und die beiden suchen noch eine weitere Mitbewohnerin. „Ich würde ja am liebsten mit zwei Chinesinnen wohnen, damit in der WG nur Chinesisch gesprochen wird, doch es ist wahrscheinlich sehr viel leichter, einen weiteren ausländischen Studenten zu finden. Aber im Endeffekt ist es egal, ich bin froh hier zu sein und kann kaum abwarten, was mich hier in China alles erwartet“.

 
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