11/2005
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Ansichten von Experten zum Aufbau einer sparenden Gesellschaft

Von Deng Shulin

Liu Shijin, stellvertretender Leiter des Forschungszentrums für Entwicklung des Staatsrates: Der Preis hat große Auswirkungen auf die Sparsamkeit!

 

China heute: Wie sehen Sie den „Aufbau einer sparenden Gesellschaft“, den die chinesische Regierung fordert?

Liu Shijin: Strenge Sparmaßnamen, Erhöhung der Effizienz und somit der Aufbau einer sparenden Wirtschaft und Gesellschaft – all das sind richtige Entscheidungen der chinesischen Regierung. Heute, aber auch für einen längeren Zeitraum der Zukunft, sollte man höchsten Wert darauf legen, Ressourcen zu sparen. Das ist das größte verfügbare Potential; es ist am leichtesten durchzuführen und führt am schnellsten zu Erfolgen. Sparen bedeutet, die Nachfrage zu vermindern, wodurch der Druck auf die Energieversorgung verringert werden kann. Im Übrigen sollte man unbedingt die Entwicklung energiesparender Techniken und Produkte fördern.

China heute: Wie kann der Aufbau einer sparenden Gesellschaft verwirklicht werden?

 

Liu Shijin: Um eine energiesparende Strategie zu verwirklichen, muss das Bewusstsein des ganzen Volkes für die Notwendigkeit höherer Sparsamkeit in allen Bereichen geweckt werden. Wir wissen jedoch, dass der wenig sparsame oder gar verschwenderische Umgang mit den Ressourcen durchaus nicht bedeutet, dass man nicht um die Wichtigkeit der Sparsamkeit weiß; es bedeutet einfach nur, dass wir ein sparsames Verhalten bisher viel zu wenig gefördert haben. Unter den Bedingungen der Marktwirtschaft ist das Energieproblem im großen Maße ein Preisproblem. Unter diesen Umständen steigt der Preis, sobald die Energieversorgung ungenügend ist. Dann beginnen die Verbraucher zu sparen. Sie verringern ihren Konsum oder versuchen andere Energiequellen zu niedrigeren Preisen zu nutzen. Funktioniert dieser Preismechanismus nicht, können wir dann das Phänomen beobachten, dass Energieknappheit und verschwenderisches Verhalten nebeneinander existieren. Beispielsweise klafft in vielen Gebieten Chinas eine große Lücke zwischen Angebot und Nachfrage bei der Stromversorgung, so dass man oft die Versorgung für einige Verbraucher reduzieren muss, um den Stromverbrauch einzuschränken. Die Gründe dafür liegen vor allem in der zu langsamen Entwicklung unserer Energiewirtschaft, aber auch im zu niedrigen Strompreis. Übrigens könnte der Preis auch ein Anreiz zur besseren Versorgung und zur Optimierung der Energiestruktur sein. In den letzten beiden Jahren nahm die Kohleförderung in China schnell zu; entscheidend dafür war die Erhöhung der Preise für Kohle. Um also den Druck auf die Ressourcen zu verringern, gibt es nur ein Mittel: nämlich den „Preis wirken zu lassen“.

China heute: Wie kann man den „Preis wirken lassen“?

Liu Shijin: Um dies zu erreichen, muss vor allem die Reform der Preismechanismen im Energiesektor beschleunigt werden. Die Einführung eines marktgerechten Energiepreises muss forciert werden. Nach Möglichkeit sollte dem Markt die Fixierung der Energiepreise frei überlassen werden. Für die Grundversorgung, deren Preis nicht oder nicht völlig vom Markt bestimmt werden darf, sollte die Regierung bei der Preiskontrolle einen flexibel regulierbaren Mechanismus mit hoher Transparenz entwickeln, der die Interessen aller betroffenen Abnehmer berücksichtigt und zugleich den Umfang der Ressourcen anzeigt. So wäre eine Preisverzerrung im Energiesektor zu reduzieren oder sogar ganz zu vermeiden. Beispielsweise liegt der Grund für die knappe Versorgung mit Kohle wesentlich darin, dass die Transportkapazität auf dem Schienenweg zurückgeblieben ist. Es fehlt landesweit nicht an Stahl, Beton, Werkstein, Arbeitskräften und Kapital, was aber Wünsche offen lässt, ist die weitere Reform und Öffnung der Branche Eisenbahntransport. Erst wenn dieser Flaschenhals geweitet wird, kann sich die Lage verbessern.

Chen Yuchuan, Mitglied der Chinesischen Akademie für Ingenieurwesen: Die Erschließung neuer Energien und Sparen sind gleichbedeutend

 

China heute: China fördert den Aufbau einer sparenden Gesellschaft, doch wo soll man damit anfangen?

Chen Yuchuan: Gegenwärtig propagiert der Staat nachdrücklich das Energiesparen. Überhaupt soll Sparen allen Menschen in unserer Gesellschaft zur selbstverständlichen Gewohnheit werden. Was das Energiesparen betrifft, sind folgende Punkte zu achten: Erstens soll man sich in den Industrie-Branchen bemühen, das wissenschaftliche und technische Niveau zu erhöhen und energiesparende Produkte zu entwickeln. Zweitens muss die Entwicklung von zyklischen Wirtschaftsabläufen beschleunigt werden. Durch Recycling und Wiedernutzung gebrauchter bzw. verbrauchter Materialien können Energie und Ressourcen gespart werden. Drittens soll in der ganzen Gesellschaft eine Atmosphäre entstehen, die alle bewusst sparsam mit Energie und Ressourcen umgehen lässt. In China leben 1,3 Milliarden Menschen. Wenn jeder Haushalt strenge Sparmaßnahmen ergreift, wäre der Effekt gar nicht hoch genug zu veranschlagen. Einer Prognose zufolge erreicht Chinas Verbrauch an primärer Energie bis zum Jahr 2020 etwa den Wert von 3,2 Milliarden Tonnen Standardkohle. Würde man bis dahin aber große Fortschritte beim Energiesparen machen, könnte sich der Wert um 25 Prozent auf 2,4 Milliarden Tonnen reduzieren.

China heute: Die Erschließung neuer und erneuerbarer Energien gilt als erste Aufgabe für Chinas Energiebranche. Was meinen Sie dazu?

Chen Yuchuan: Die neuen und erneuerbaren Energien zu entwickeln, ist tatsächlich der Kern, um unsere Energieprobleme zu lösen.

Zum ersten gilt es, die Wasserkraft bevorzugt zu entwickeln. Die Wasserkraft Chinas belegt den ersten Platz in der Welt. Deshalb muss man sich bemühen, die Wasserkraftressourcen vorrangig zu erschließen. In dieser Hinsicht hat die chinesische Regierung bereits viele Maßnahmen ergriffen. Theoretisch kann man in China 6000 Milliarden kW Wasserkraft erschließen, nach unseren technischen Möglichkeiten sind es aber „nur“ 3900 Milliarden kW. Mit fortschreitender Erschließung der Wasserkraft wird sich die heutige Energiestruktur Chinas in der Zukunft beträchtlich verändern.

Dann sprechen wir über die Kernkraft. Zur Zeit macht sie nur 1% unserer Energiestruktur aus. Laut Plan soll ihr Anteil bis zum Jahr 2020 auf 40 Millionen kW steigen. Ist dieses Ziel erreicht, läge der Anteil immer noch bei nur 4%. International beträgt heute der Anteil der Kernkraft an der Energieerzeugung durchschnittlich 16%, in Frankreich sind es sogar 70%. Man kann anhand dieser Zahlen leicht erkennen, dass der Anteil der Kernkraft an der Energieversorgung Chinas zu gering ist. Es wird sich viel verbessern, sobald die Entwicklung der Kernkraft Chinas das internationale durchschnittliche Niveau erreicht hat. Bei uns gibt es kein Problem, die Kernkraft zu entwickeln, nur sind die Kosten für den Aufbau der Kernkraftwerke und für die erste Zeit nach Inbetriebnahme sehr hoch. Doch langfristig gesehen ist Energieerzeugung mit Kernkraft profitabel.

Auch in einer anderen Hinsicht müssen erneuerbare Ressourcen erschlossen werden. Dies hat bereits seit langem die Aufmerksamkeit der Staatsregierung erweckt. Das bereits veröffentlichte Gesetz für die erneuerbaren Ressourcen wird ab Januar 2006 gültig sein. Viele Länder in Europa und Amerika, vor allem die europäischen Länder, betonen die Verwendung erneuerbarer Ressourcen wie Windkraft und Sonnenenergie. Die westlichen Gebiete Chinas verfügen über reiche Ressourcen an Windkraft und Sonnenenergie und besitzen große Potentiale für ihre Erschließung. Die Kosten für die Erzeugung einer kWh Energie durch Windkraft sind noch ziemlich hoch. Wie also können Anreize geschaffen werden, um die Windkraft zu entwicklen? Zum Beispiel durch Ankauf durch den Staat zu relativ hohem Preis. Die chinesische Regierung hat vor, entsprechende Maßnahmen in der 11. Fünfjahresplanung (2006-2010) einzuarbeiten.

Die endgültige Lösung der Energiefrage wäre die technische Nutzbarmachung der Kernfusion. China hat an einem Projekt für Kernfusion teilgenommen, an dem in Frankreich geforscht und experimentiert wurde. Im Erfolgsfalle wären die Energieressourcen unerschöpflich, doch gegenwärtig befindet man sich noch in der Versuchsperiode.

Ferner ist der Vorrat an Erdgashydrat noch immer größer als die gesamte Menge an chemischer Energie in der Welt. Erdgashydrat ist eine Art festes Methan, das am Meeresboden zu finden ist. Zur Zeit bemüht sich China, nach Erdgashydrat zu suchen. Dabei wurden bereits einige Erfolge erzielt. Zwar gibt es bei der Erschließung von Erdgashydrat noch zahlreiche technische Fragen zu lösen, doch man ist sich sicher, dies vollbringen zu können.

 
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