09/2005
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Wiedereinführung der Pflicht zur ärztlichen Untersuchung vor der Eheschließung löste Debatten aus

Von Lu Rucai

Die ärztliche Untersuchung vor der Eheschließung war den Bürgerinnen und Bürgern nicht fremd, die sich vor dem Jahr 2003 für die Ehe registrieren ließen. Vor der Registrierung der Ehe waren beide Partner verpflichtet, sich in einer bestimmten medizinischen Einrichtung einer Gesundheitsuntersuchung zu unterziehen. Die voreheliche Gesundheitsuntersuchung wurde vor mehr als 20 Jahren im Zusammenhang mit der Politik der Familienplanung in China eingeführt und war eine wichtige Maßnahme zur Verhütung der Verbreitung von Infektionskrankheiten, die eine Ehe ausgeschlossen hätten. Außerdem war es als vorbeugende Maßnahme zur Verringerung angeborener Missbildungen gedacht. In der 1986 veröffentlichten Mitteilung über die Frage der vorehelichen Gesundheitsuntersuchung wurde festgelegt, dass alle verpflichtet seien, sich einer ärztlichen Untersuchung vor der Eheschließung zu unterziehen. Bis zum Jahr 2003 gab es in den Regelungen zur Verwaltung der Eheschließungsregistrierung und anderen gesetzlichen Bestimmungen obligatorische Klauseln hinsichtlich einer ärztlichen Untersuchung vor der Eheschließung.

In den neuen, seit 1. Oktober 2003 gültigen Regelungen zur Eheschließungsregistrierung wurde die Verpflichtung aufgehoben, sich einer vorehelichen Gesundheitsuntersuchung, die als unabdingbare Voraussetzung für die Registrierung einer Eheschließung diente, unterziehen zu müssen. Diese Maßnahme wurde damals von vielen Chinesen als ein Fortschritt der Gesellschaft betrachtet, da sie das grundlegende Recht des Bürgers respektiert und zugleich den Menschen ein größeres Recht an freier Entscheidung einräumt.

Nach Abschaffung des Zwanges, sich einer vorehelichen Gesundheitsuntersuchung zu stellen, verringerte sich die Zahl der Ehekandidaten, die sich freiwillig ärztlich untersuchen ließen, außerordentlich schnell. Statistische Angaben des Ministeriums für Gesundheitswesen zeigen, dass der Anteil der Paare, die sich vor der Eheschließung ärztlich untersuchen ließen, im Jahre 2004 nur bei knapp 10% lag. In manchen Gebieten lag diese Zahl sogar unter 1%, in der Provinz Heilongjiang beispielsweise nur 0,43%. Währenddessen zeigt die Rate der angeborenen Missbildungen eine steigende Tendenz. Aus diesem Grund wurde vor kurzem die zwangsmäßige ärztliche Untersuchung vor der Eheschließung in der Provinz Heilongjiang wieder eingeführt, was landesweit heftige Debatten unter allen Bevölkerungskreisen auslöste.

Gao Yanning, außerordentlicher Professor am Institut für öffentliche Gesundheitspflege der Fudan-Universität: „Ich persönlich bin gegen die zwangsmäßige voreheliche Untersuchung. Wir sollten das Recht der Eheschließungsparteien respektieren. Voreheliche Untersuchungen als administrative Zwangsmaßnahmen sind keine Garantie für eine gesunde Ehe und auch kein Schutz vor ihrem Misslingen. Außerdem sind Ehe und Geburt zwei völlig verschiedene Sachverhalte und müssen nicht in inneren Beziehungen zueinander stehen. Man sollte großen Wert auf die ärztliche Untersuchung während der Schwangerschaft legen; nur das wäre eine richtige Maßnahme, um weniger Geburten mit angeborenen Missbildungen zu haben.“

Hu Xingdou, Professor am Institut für Geisteswissenschaften der Naturwissenschaftlichen und Technischen Universität Beijing: „Wir sollten eine Lehre aus der Vergangenheit ziehen und über unsere Entscheidung für die Öffentlichkeit nachdenken. Beliebige Änderung der Politik verringert das Vertrauen der Bürger in die Gesetzgebung sehr stark, wodurch die Gesetzgebung das Vertrauen und die Unterstützung der Volksmassen verlieren kann. Ich bin in Übereinstimmung mit der Provinzregierung Heilongjiang für die Wiedereinführung der Pflicht zur vorehelichen Untersuchung. Viele sind mit mir der Meinung, dass die Entscheidung zur Abschaffung der ärztlichen Untersuchung vor der Eheschließung im Jahre 2003 hastig und unüberlegt getroffen wurde.“

Liu Xing (öffentlich Bediensteter): „Einerseits muss man für die voreheliche Untersuchung hohe Gebühren bezahlen, andererseits ist die Untersuchung oft nur eine formale Sache. Die Ärzte führen die Untersuchungen überhaupt nicht gewissenhaft durch. Schlimmer ist noch, dass man auch ein Attest vom Arzt erhalten kann, wenn man ihn nur gut kennt. Aus diesem Grund verlassen sich diejenigen, die sich eigentlich einer ärztlichen Untersuchung unterziehen wollten, nicht mehr auf die medizinischen Einrichtungen und verzichten lieber ganz auf die voreheliche Gesundheitsuntersuchung. Außerdem hat die ärztliche Untersuchung vor der Eheschließung keinerlei Bedeutung für eine tatsächliche Verhütung der Verbreitung von Geschlechts- und anderen Infektionskrankheiten, weil die meisten Paare doch voreheliche Sexualbeziehungen haben. Hat eine Partei eine Infektionskrankheit, ist die andere längst vor der Eheschließung angesteckt.“

Fan Jinrong aus der Provinz Shanxi (Arzt): „Bei der ärztlichen Untersuchung vor der Eheschließung haben wir in nicht wenigen Fällen erlebt, dass die Menschen sehr wohl wissen, dass sie sich infiziert haben, aber trotzdem der ärztlichen Untersuchung ausweichen wollen. Daraus kann man ersehen, dass die heutigen Chinesen, vor allem die in ländlichen Gebieten, noch zu geringe Kenntnisse über Gesundheitspflege besitzen. Die Abschaffung der Pflicht zur vorehelichen Untersuchung wird eine Gesundheitskrise verursachen und das kann sich zu einer großen Katastrophe für die ganze Nation ausweiten. Darum meine ich, dass die ärztliche Untersuchung vor der Eheschließung den Verhältnissen in China entspricht und dass sie durch eine gesetzliche Form geregelt werden sollte.“

Zhang Jie (Redakteurin): „Ich halte die voreheliche Untersuchung für unnötig. Ich selbst kenne meinen Gesundheitszustand genau. Wenn ich an keiner Krankheit leide, wieso muss ich mich da vor der Eheschließung ärztlich untersuchen lassen? Übrigens legen viele medizinische Einrichtungen überhaupt keinen Wert auf den Schutz der Privatsphäre der Arztbesucher! Schon deshalb will ich mich der vorehelichen Untersuchung nicht unterziehen.“

Ob die erzwungene voreheliche Gesundheitsuntersuchung abgeschafft bleiben soll oder nicht, in dieser Frage gehen sowohl die Ansichten der Experten wie der einfachen Bürger weit auseinander. Sowohl Opponenten als auch Befürworter führen zum Teil berechtigte Gründe an. Eine von www.sina.com.cn durchgeführte Umfrage „Stimmen Sie der Wiedereinführung der vorehelichen Gesundheitsuntersuchung in der Provinz Heilongjiang zu?“ brachte folgendes Ergebnis: Unter den mehr als 2000 Teilnehmern wurde sie von 60,64% bejaht. Diese Bürger meinen, diese Maßnahme könne die Popularisierung der vorehelichen Gesundheitsuntersuchung effektiv fördern. 27,43% der Befragten waren dagegen, weil sie glauben, dass diese Maßnahme das Recht auf Schutz der Privatsphäre verletze. Die restlichen 11,93% waren der Meinung, dass man sich sowieso vor der Eheschließung ärztlich untersuchen lassen sollte, gleichgültig, ob es freiwillig oder eine Pflicht sei.

Die gemeinsame Untersuchungsgruppe des Staatsrates, die sich aus Mitarbeitern aus dem Büro für das Rechtssystem des Staatsrates, dem Ministerium für Zivile Angelegenheiten, dem Ministerium für Gesundheitswesen, der Staatlichen Kommission für Bevölkerung und Familienplanung sowie dem Finanzministerium zusammensetzt, trägt folgende Meinung vor: Die voreheliche Gesundheitsuntersuchung hat nur eine begrenzte Bedeutung für die Verhütung angeborener Missbildungen. Außerdem wird die voreheliche Gesundheitsuntersuchung in vielen Gebieten nur oberflächlich und flüchtig durchgeführt. Den Bürgern sollte erlaubt werden, eine freie Wahl für die ärztliche Untersuchung vor der Eheschließung zu treffen. Es ist unnötig und unangemessen, die Untersuchung zwangsweise durchzuführen.

Nachdem man die obligatorische ärztliche Untersuchung vor der Eheschließung in der Provinz Heilongjiang wieder eingeführt hatte, schlugen einige Experten in der Stadt Beijing und in einigen anderen Provinzen wie Guangdong und Jiangxi vor, die Provinz Heilongjiang zum Vorbild zu machen. Trotzdem haben die jeweiligen Lokalregierungen geäußert, der Provinz Heilongjiang nicht folgen zu wollen und die voreheliche Untersuchung weiterhin nur nach dem Prinzip der Freiwilligkeit durchführen zu lassen. Die Stadtregierung Shanghai hat begonnen, die Untersuchungsgebühren im ganzen Stadtgebiet aufzuheben, damit sich mehr Paare als bisher der vorehelichen Untersuchung freiwillig unterziehen. Die Maßnahme der Stadt Shanghai, die Untersuchungsgebühren von der Regierung tragen zu lassen, stimmt optimistisch und sollte landesweit nachgeahmt werden. Doch noch mehr Bürger sagen, die Untersuchungsqualität sei ihnen viel wichtiger als die Gebührenfreiheit der Untersuchung.

 
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