09/2005
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Tibet der Pilger

Von Feng Jing

 
     

Eine tibetische Frau, Ende 60, die einen sechs Jahre alten Jungen an der Hand hält, betritt das Jokhang-Kloster in Lhasa. Die Blätter, die sie mitgebracht hat, steckt sie in ein riesiges Räuchergefäß. Von Rauch umhüllt schließt sie ihre Augen, legt ihre Handflächen aneinander und betet. Der kleine Junge folgt ihrem Beispiel.

Jeder, der Tibet betritt, ist sich sofort der Aura des strengen Glaubens bewusst, die dort herrscht. Das Autonome Gebiet Tibet hat 2,7 Millionen Einwohner, von denen 92% Tibeter sind, von denen wiederum die meisten Buddhisten sind. Es gibt 1700 Tempel und Klöster in dem Gebiet und 46 000 Mönche und Nonnen. Farbenprächitge Gebetsfahnen flattern im Wind und Haufen von Mani-Steinen begrenzen die Straßenränder. Pilger, die Gebetsmühlen tragen, sieht man überall. Sie rezitieren Sutras, während sie sich auf den Stadtstraßen, Landstraßen und Bergwegen niederwerfen und nähern sich dabei mit ihrer Körperlänge dem von ihnen ausgewählten Kloster.

Klöster sind für die Gläubigen des tibetischen Buddhismus heilige Orte. Die bekanntesten, wie das Jokhang-Kloster in Lhasa und das Zhaxilhunbo-Kloster in Xigaze, ziehen jeden Tag Pilgerströme an. In den letzten Jahren hat die Anzahl der Pilger im Zhaxilhunbo-Kloster stetig zugenommen – ein Anzeichen für das Ausmaß der Verbesserung des Lebensstandards und des Transports in dem Gebiet.

Alle Besucher Tibets, außer den Pilgern, müssen für die berühmten Klöster Eintritt bezahlen. Die Gläubigen folgen einem strengen Ritual. Sie zollen zuerst den Abbildungen Buddhas ihren Respekt und beten um seinen Schutz, sie fügen Butter zu den Butterlampen vor den Statuen hinzu, stecken dünne Zweige in die Räuchergefäße und geben dem Kloster eine Spende.

Tibetreisende bewundern auch die Gebetsfahnen, die sie auf Berggipfeln, an Seen und Flüssen, in Klöstern, auf den Dächern der Zelte und Häuser, auf Felsspitzen und in den Baumwipfeln sehen. Die Fahnen sollen Glück und Fröhlichkeit bringen. In manchen Dorfhaushalten im Kreis Baining, Bezirk Shannan, flattern sowohl die Rote Fünf-Sterne-Fahne als auch die Gebetsfahnen am Dach.

 
     

Die meisten Gebetsfahnen sind aus blauen, weißen, roten, gelben und grünen Seidenbändern gefertigt. Manche tragen buddhistische Inschriften oder Bilder von Vögeln und anderen Tieren. Die Bänder sind in genauer Reihenfolge an Seile genäht und an einer hohen Stelle aufgehängt. Die Tibeter glauben, dass jedes Flattern im Wind einem Karma-Verdienst durch das Rezitieren eines Sutra gleichkommt.

Lhachug ist Bauer in der Stadt Changzhub im Bezirk Nedong. Er lebt in einem zweistöckigen Haus im tibetischen Stil, das mehr als zehn Zimmer hat. Ein Zimmer im zweiten Stock ist die Gebetshalle der Familie. Sie beherbergt eine buddhistische Statue, vor der sich eine Butterlampe befindet, die Tag und Nacht brennt.

Ein wohlsituierter tibetischer Haushalt hat eine eigene Gebetshalle, während ärmere Familien Buddhabilder an die Wohnzimmerwand hängen. Strenggläubige rezitieren jeden Tag Sutras und verneigen sich vor der Buddhastatue und laden zu Festtagen, Hochzeiten und Begräbnisfeiern Mönche zu sich nach Hause ein, die die passenden Rituale für solche Angelegenheiten vollziehen.

Die Mehrheit der Tibeter sind Buddhisten, aber nicht alle. Benba Toinzhub, der um die 40 ist, ist Kader in der Stadtregierung von Xigaze. All seine Familienmitglieder sind streng gläubige Buddhisten. „Manchmal diskutiere ich mit meinem Vater über diese Angelegenheit“, sagt Benba Toinzhub, aber er würde es nie wagen, zu versuchen, ihn von seinem religiösen Glauben abzubringen, obwohl sein Vater ihn zu bekehren versuchte und dabei aber erfolglos war. Benbas Vater beschränkt sich nun darauf, seinen Sohn dazu anzuregen, im Geiste des Buddhismus gute Taten zu vollbringen.

 
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