09/2005
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Hitze, Sonne, Touristen und stickige Luft?

– Willkommen im Sommer in Beijing!

Von Kerstin Brümmer

 
     

„Du gehst im Sommer nach Beijing? Da ist es doch viel zu heiß und die Stadt quillt über von Touristen, mal ganz abgesehen von der schlechten Luft!“

So oder ganz ähnlich lauteten die Kommentare, die mir Freunde und Bekannte mit auf den Weg gaben, als ich mich entschlossen hatte, ein Praktikum bei China heute in Beijing zu machen.Ohne Chinesischkenntnisse, noch Bekannte in der Stadt, aber mit viel Abenteuerlust und einem Koffer voller Vorfreude saß ich also plötzlich im Air China Direktflug Frankfurt-Beijing.

Hatte ich mir das alles richtig überlegt? Nach einem Studienjahr in Frankreich, wo das Semester bereits im Mai endet, hatte ich viel freie Zeit, die es sinnvoll zu nutzen galt, bevor ich im Oktober mein Studium in Deutschland wieder aufnehmen würde. Mein Wissen über China reichte bis dahin nicht weit über die in Deutschland gängigen Stereotypen des Landes und der Leute hinaus. Doch die rasante Entwicklung Chinas in den letzten Jahren hatte mein Interesse daran geweckt, eigene Erfahrungen mit der chinesischen Kultur zu machen – und die Klischeevorstellungen im meinem Kopf durch die Realität zu ersetzen. Ein Praktikum bei einer Zeitschrift in Beijing schien mir genau das Richtige zu sein, um so viel wie möglich über die chinesische Gesellschaft zu lernen.

Der erste Eindruck, den man in einer fremden Stadt bekommt, hängt natürlich immer davon ab, in welchen Kreisen und in welcher Umgebung man sich aufhält. Aber für Beijing ist eines allgemeingültig: es wird überall gebaut und das rund um die Uhr! Unzählige Baukräne, Gerüste sowie die unter ihren gelben Schutzhelmen schwitzenden Arbeiter sind Grund dafür, dass die 12 Millionen Einwohner-Metropole ihr Gesicht täglich zu ändern scheint. Die Einheimischen haben sich daran gewöhnt, dass ihre Stadt besonders jetzt in der vorolympischen Zeit einer Dauerbaustelle gleicht. Für die neugierigen Augen der Touristen und Neuankömmlinge in Beijing - so wie ich es bin - ist dies jedoch ein Phänomen der besonderen Art. Über eine Million Bauarbeiter tummeln sich hier jeden Tag zwischen Stahl und Beton. Da nicht nur die Hauptstadt dem Bauboom erliegt, erscheint das gesamte Reich der Mitte mehr und mehr als ein Reich der Maurer und Modernisierung.

Bei jedem Spaziergang durch die Straßen Beijings wird somit eines sehr deutlich, und zwar mit welcher Geschwindigkeit China auf der Überholspur versucht, an die großen Industrieländer heranzukommen.

Wirklich erleben lässt sich Beijing wahrscheinlich am besten während der rush hour. Ob in einer der 750 Buslininen oder in der U-Bahn, es ist voll, laut und hektisch. Also rein ins Vergnügen! Spätestens nach dem Ticketkauf, inmitten der nach Hause oder zum Shoppen eilenden Chinesen, ärgert man sich wohlmöglich doch, nicht eine der günstigen Taxen genommen zu haben, um der Welt der pausenlos klingelnden Handys zu entkommen. Dennoch ist der städtische öffentliche Verkehr sicherlich intakt und effektiv, zumal die Fahrkarten sehr billig sind. Es bleibt allerdings offen, mit welchem Verkehrsmittel man schneller ans Ziel gelangt, denn egal, ob Bus, U-Bahn oder Taxi, eines ist Anforderung Nummer eins im Beijinger Feierabendverkehr: Ruhe und Geduld! Ein wenig zu beneiden sind die Fahrradfahrer, selbst wenn auch nur eine kurze Strecke zu einer schweißtreibenden Angelegenheit werden kann, vergessen wir nicht, dass das Thermometer hier im Juli und August fast täglich über dreißig Grad anzeigt. So bahnen sich die Radfahrer ihren Weg durch die Straßen und folgen dabei ihren ganz eigenen Regeln. Verwirrt und überfordert im gruseligen Fahrradverkehr, fragte ich meine chinesische Mitbewohnerin, in welcher Spur ich denn fahren sollte. „Spur? Es gibt keine Spur.“

Die ersten Tage in Beijing erfüllten somit alle Vorurteile und Warnungen, die mir vor meiner Abreise genannt worden waren. Aber so wie Baguette, Wein und der Eiffel Turm zu Paris gehören, so ist Beijing auf den ersten Blick laut, voll, und stickig. Aber genau das ist es wohl auch, was die Stadt so interessant und aufregend macht – und es gibt noch so viel mehr zu entdecken

 
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