09/2005
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Glaubwürdigkeitskrise ausländischer Marken

Von Qiao Tianbi

Chinesische Konsumenten waren lange überzeugt davon, dass ausländische Markenprodukte ein Synonym für bessere Qualität und besseren Service seien. Und während China sich in der Stufe seiner Post-WTO-Übergangsphase befindet, schwebt eine Flutwelle von Importen am Horizont. Eine Reihe von Ereignissen in jüngsten Jahren hat jedoch jenen überseeischen Glanz getrübt und das Vertrauen chinesischer Verbraucher in ausländische Güter erschüttert.

Qualitätskrise

Die meisten der jüngeren Skandale um ausländische Qualitätsmarken traten im Ausland auf und es handelte sich in erster Linie um Fragen der Lebensmittelsicherheit. Im vergangenen Jahr war das Unternehmen DuPont verdächtigt worden, dass sein Teflon-Kochgeschirr bei hohen Temperaturen schädliche Substanzen erzeuge, und ihm wurde deswegen vorgeworfen, dass man diese Gefahr wissentlich verschwiegen habe. In diesem Jahr fand man „Sudanrot I“, einen angenommenen krebserregenden Stoff, in Nahrungsmitteln produziert von Branchenriesen wie KFC und Heinz. Unilever’s Lipton yellow label Tee, ein beliebtes Getränk von Chinesen wie auch Konsumenten in Übersee, wurde nachgesagt, es enthalte einen übermäßigen Wert an Fluorid, was zur Beeinträchtigung des Knochenwachstums führen könne. Der Babyhaut-Pflegeserie der Firma Johnson wurde nachgewiesen, dass sie schädliche Mineralöle enthält, und Behauptungen nach seien Spuren des Krebserregers Karzinogen in Colgate Zahnpasta zu finden. Da Wissenschaft und Technologie fortschreiten und Handelsschranken zurückgehen, müssen Waren immer härteren Tests unterzogen werden und höheren Standards entsprechen, wodurch zuvor unvermutete Gefahren aufgedeckt werden können.

In unserem Informationszeitalter sind chinesische Konsumenten sehr bewusst über die Vorkommnisse auf ausländischen Märkten. Sollte ein Unternehmen kein sofortiges Handeln auf dem chinesischen Markt zeigen, um ein in Übersee aufgedecktes Problem richtig zu stellen, so steht es im Kreuzverhör der chinesischen Medien. Auch entsprechende Abteilungen der chinesischen Regierung reagieren mit Wirksamkeit, indem sie mit den ausländischen Institutionen Schritt halten, wenn neue Sicherheitslücken ans Licht kommen. Ein verbessertes Vorsorge-Management hat Chinas Qualitätssicherungssystem rationalisiert. Aber die chinesischen Verbraucher sind von ausländischen Marken enttäuscht und zweifeln an deren Glaubwürdigkeit.

Doppelte Standards

Im März 2005, wenige Tage vor dem Welt-Verbraucherrechte-Tag, informierte Greenpeace Medien in Beijing darüber, dass zwei der weltweit führenden Lebensmittelhersteller gentechnisch modifizierte Inhaltsstoffe für Produkte verwendeten, die auf dem chinesischen Markt verkauft wurden. Die Übeltäter waren Ritz-Kräcker aus dem Hause Kraft Food sowie Campbells Maissuppe. Die Firma Campbell garantierte den EU-Mitgliedsstaaten, dass ihre Produkte keinerlei gentechnisch modifizierten Inhaltsstoffe enthielten, und Kraft versicherte, man verwende gentechnisch modifizierte Inhaltsstoffe ausschließlich nur, wenn die Mehrheit der Bewohner einer Region damit einverstanden sei. Statistiken aber zeigen, dass dies nicht auf China zutrifft. Ipsos, ein international anerkanntes Marktforschungsunternehmen, führte eine Umfrage durch in Beijing, Shanghai und Guangzhou, nach deren Ergebnissen 60 Prozent der Befragten sich gegen den Verzehr von Nahrungsmitteln, welche gentechnisch modifizierte Inhaltsstoffe enthalten, aussprachen. Chinesische Konsumenten haben kürzlich gefordert, dass die beiden Lebensmittelhersteller die entsprechenden Produkte aus dem Einzelhandelsgeschäft in China zurückziehen.

Solche verschiedenen Standards sind auch in Werbekampagnen ausländischer Marken zu finden. Ein Zähne-bleichender Streifen, hergestellt von der Firma Crest, wirbt damit, ebendies innerhalb von nur 14 Tagen zu tun und verspricht einen bis zu sechs Monaten anhaltenden Effekt. In China allerdings ist die Dauer des angepriesenen Ergebnisses auf wunderliche Art und Weise doppelt so lang. Der Packungsbeilage zufolge wird der erwünschte Effekt bereits nach sieben Tagen erreicht und hält bis zu einem Jahr. Auch P&G wurde bei dem Versuch enttarnt, chinesische Konsumeten mit seiner Gesichtscreme SK-II, die besonders beliebt ist bei chinesischen Frauen der Mittelschicht, hinters Licht zu führen. In der chinesischen Fassung der Packungsbeilage des Produktes wirbt die Firma damit, dass die Creme feine Hautfältchen um bis zu 47% reduziert und die Haut der Anwenderinnen um 12 Jahre jünger erscheint. Es wird jedoch keine Information darüber gegeben, dass das Produkt Natriumhydroxid enthält, eine gefährliche alkalische Verbindung. Die Version der Packungsbeilage für den amerikanischen Markt macht keinerlei Aussagen über die Effektivität des Produktes, aber enthält die vollständige Liste aller Inhaltsstoffe. Eine Frau in der Provinz Jiangxi litt an Hautproblemen, nachdem sie die Creme angewandt hatte, und verklagte P&G. Eine lokale Industrie- und Handelsverwaltung verlangte ebenso ein Bußgeld in Höhe von 200000 Yuan (ca. 24000 US-Dollar) wegen falscher Werbung.

Verdorbener Ruf

Schwindendes Vertrauen in ausländische Marken ist allzu deutlich zu erkennen in deren Markauftritt. 1999 wurde die japanische Elektronikfirma Toshiba in den USA wegen Herstellungsfehlern in ihren Laptops verklagt und war gezwungen, eine Abfindung von insgesamt 1,05 Milliarden US-Dollar zu berappen. Aber Toshiba weigerte sich, Kunden in anderen Ländern, einschließlich China, jegliche Entschädigung zu zahlen außer in der Form von Flicksoftware. Entzürnte chinesische Käufer gaben ihre fehlerhaften Laptops zurück und die Firma verzeichnete einen landesweiten Umsatzrückgang. Im darauf folgenden Jahr verlor Toshiba seine Führungsposition auf dem chinesischen Laptopmarkt und wurde überholt von Lenovo und IBM.

Im Jahr 2002 nahm der wütende Besitzer eines Mercedes Benz einen Holzhammer zur Hand und schlug öffentlich auf sein Auto ein, nachdem er ein Jahr nach Kauf des Wagens unzählige Probleme damit gehabt hatte, und seine Forderung nach Umtausch nun abgelehnt worden war. Der Vorfall sorgte für Schlagzeilen in ganz China. Eine Umfrage in der Beijing Youth Daily ergab, dass 50% der Befragten glaubten, der Hersteller des Wagens sei im Unrecht.

Colgate nimmt derzeit ein Drittel des gesamten Zahncrememarktes in China ein. Aber kurz nachdem die Neuigkeiten aufkamen, dass Colgate-Produkte das Krebsrisiko erhöhten, sagten mehr als 90 Prozent der Konsumenten gegenüber Marktforschern, sie würden keine weiteren Produkte der Firma kaufen.

Geldstrafen keine Abschreckung

Qu Honglin, Geschäftführer bei Shanghai Junce Local Strategy Company, verhöhnt die Annahme, dass ausländische Marken Anbieter erstklassiger Waren, Modell für fortgeschrittenes Management oder Vorbild für eine bessere Lebensweise seien. „Dies ist ein Trugschluss“, sagt er. „Ihr Ziel in China ist es, den riesigen Markt auszubeuten und soviel Gewinn wie möglich zu machen.“

Wenn multinationale Unternehmen wissen, dass sie enorme Einsparungen machen können, indem sie ihre Standards auf das Level des jeweiligen Marktes senken, dann tun sie genau dies, ohne lange zu zögern. Diese Doppelmoral ist in der Tat Teil ihrer Strategie zur Lokalisierung und hängt mit örtlichen Überwachungsmechanismen zusammen, wie Standards, rechtlichen Bestimmungen und Konsumkultur.

Laut Xian Guoming, Direktor des Zentrums für Transnationale Kooperationsforschung an der Nankai-Universität, sei das ungenügende chinesische Verbraucherrecht ein Grund dafür, dass multinationale Unternehmen bei der Anwendung doppelter Standards ungestraft davonkämen. Es sei nahezu unmöglich für den einzelnen Verbraucher einen Rechtsstreit zu gewinnen, und wenn es doch vereinzelt gelänge, dann sei die Höhe der gezahlten Entschädigung kaum mehr als eine Markierung auf dem Kontoauszug des angeklagten Unternehmens.

Chinesische Verbraucher immer rationaler

„Diese Vorfälle zeigen, dass chinesische Verbraucher ihr blindes Vertrauen in ausländische Marken abgelegt haben “, stellt Zhang Jinjie fest, Wissenschaftler in der Abteilung für transnationale Unternehmen am Institut für Weltwirtschaft und Internationale Politische Studien, Chinesische Akademie für Sozialwissenschaften. Chinesische Verbraucher betrachten ausländische Marken sehr viel genauer heutzutage, und je bekannter die Marke ist, desto eher verursacht sie Zorn bei den Verbrauchern.

Chinesische Verbraucher haben somit ihre Stärke in dieser Kette von Produktskandalen bewiesen. Ausländische Unternehmen haben dem chinesischen Markt geholfen und seine Zahl der wohl überlegt und rational handelnden Verbraucher wachsen lassen. Diese Verbraucher aber verlangen den gleichen Respekt und die gleichen Rechte wie die der ausländischen Verbraucher und auch das gleiche Maß an Entschädigung.

Qu Honglin meint, dass viele multinationale Unternehmen chinesische Verbraucher diskriminierten, aber dass es nun an der Zeit für Veränderungen sei. Laut Qu wandten sich ausländische Unternehmen bislang eher an die chinesische Regierung als an die Medien, wenn sie sich einer Krise stellen mussten, da sie glaubten, ein Wort der Regierung könnte das Problem lösen. Dies mag vor zehn Jahren noch der Fall gewesen sein, aber heute nicht mehr. Die öffentliche Meinung ist jetzt sehr viel stärker und Gesetze und Handelsstandards sind klarer festgelegt. Wenn ein Unternehmen Mist baut, kann dies niemand mehr vertuschen.

Mittlerweile haben chinesische Verbraucher auch mehr Auswahl auf dem Markt selber, da inländische Firmen Produkte und Dienstleitungen anbieten, deren Qualität gleichwertig zu denen der ausländischen Marken ist. Einer Studie der Chinesischen Vereinigung der Kaufleute und dem Staatlichen Statistikamt zufolge seien inländische Marken vor allem in den Bereichen Elektronik, Kleidung und Lebensmitteln auf dem Vormarsch, wie man es ihren entsprechenden Marktanteilen entnehmen könne.

Multinationale Unternehmen fangen an, sich Sorgen zu machen und treffen Maßnahmen, um chinesische Verbraucher zurückzugewinnen. Nach dem Skandal um „Sudan Rot I“ kündigte das Mutterunternehmen von KFC, Yum Brands Inc., die Einrichtung eines Test- und Forschungszentrums für Lebensmittelsicherheit mit einer Investition von zwei Millionen Yuan (ca. 240000 US-Dollar) an. Das Zentrum wird Stichproben bei allen Produkten und Materialien durchführen sowie Forschung im Bereich der Sicherheit der Nahrungszufuhr in China betreiben.

Dennoch haben die jüngsten Skandale den Halt der ausländischen Marken auf dem chinesischen Markt noch nicht erschüttert. Professor Guo Shoukang, Experte für gewerblichen Rechtsschutz, sagt, es sei falsch, alle ausländischen Unternehmen für die Fehler einiger Weniger zu bestrafen. Da chinesische Verbraucher jetzt gelernt haben, dass auch ausländische Produkte fehlerhaft sein können, müssen multinationale Unternehmen mehr Bemühungen zeigen, um auf dem chinesischen Markt bestehen zu können.

 
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