Mai 2005
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Die Kontrolle von Antibiotika stärken

Von Mitarbeiterin Ethel Lu

Es ist eine bekannte Tatsache, dass es in Amerika einfacher ist, ein Gewehr zu kaufen als Antibiotika. In China ist die Situation aber anders. Laut einer kürzlichen WHO-Studie nehmen ungefähr 80 Prozent der stationären Patienten antibiotische Medizin, davon werden 58 Prozent multifunktionale Antibiotika verschrieben, was im Vergleich mit dem internationalen Durchschnitt von 30 Prozent alarmierend ist. Jedes Jahr sterben 200 000 chinesische Patienten durch medizinische Nebeneffekte, 80 000 dieser Todesfälle wurden durch den Antibiotikamissbrauch verursacht. 20 Millionen Menschen – die Zahl ist erschütternd – leiden an Gehörschäden, davon sind zwischen 60 und 80 Prozent auf eine Überdosis von Antibiotika zurückzuführen. Zhang Yongxin, Direktor des Antibiotika-Forschungsinstituts, das dem Huashan-Krankenhaus in Shanghai angeschlossen ist, sagt, dass, obwohl Penizilin während des Zweiten Weltkriegs zehntausende von Leben gerettet hat, es weniger effektiv wird, wegen der verbreiteten übermäßigen Anwendung von Antibiotika. Alleine in Shanghai sind ca. 80 Prozent der Staphylococcus-Stämme resistent gegen Penizilin geworden.

Mehr medizinisches Wissen erforderlich

Die Beijinger Einwohnerin Frau Wang suchte ihr lokales Krankenhaus You’an auf, wo bei ihr eine Harngangsinfektion diagnostiziert wurde. Der Arzt empfahl ihr zwei Medikamente – ein billiges Harntraktinfektionsantibiotikum und ein teureres importiertes multifunktionales Antibiotikum. Frau Wang entschloss sich für letzteres.

Nach dem Beweggrund ihrer Entscheidung befragt, antwortete sie: „Das teurere Medikament muss besser sein und ich kann es mir leisten.“ Viele Patienten würden mit Frau Wangs Entscheidung übereinstimmen, aber sie erkennen nicht, dass der übermäßige Gebrauch von Antibiotika dazu führen kann, dass der Körper resistent oder allergisch auf das Medikament reagiert. „Ich weiß nur, dass teure Medikamente schneller wirken als billigere“, folgert Frau Wang.

Chinesen richten ihren Blick mehr auf den magischen Effekt von Antibiotika, aber weniger auf die Nebeneffekte. Ein schneller Besuch der Apotheke statt des Arztes ist eine weit verbreitete Sitte für Leute mit einer leichten Erkältung oder einer Mandelentzündung. Manche, die an chronischen Krankheiten leiden, ziehen auch die Apotheke dem Krankenhaus vor. Laut des Berichts der Dritten Nationalen Studie über die Dienstleistungen im Gesundheitswesen, die im Dezember 2004 herausgegeben wurde, nimmt die Zahl der Menschen, die das öffentliche Gesundheitssystem in Anspruch nehmen, ab, und 36 Prozent der chinesischen Einwohner kaufen Medikamente in Apotheken, ohne einen Arzt um Rat zu fragen. In ländlichen und städtischen Gebieten stieg die Rate zwischen 1998 und 2004 jeweils von 23 auf 31 Prozent und 44 auf 47 Prozent. Auf die Frage, warum sie Antibiotika direkt in der Apotheke kaufen, sagten 50 Prozent, dass der Arztbesuch zu viel Zeit in Anspruch nehme, 35 Prozent sagten, dass sie ihrer eigenen Diagnose vertrauten, und 15 Prozent dachten, dass Medikamente, die in Krankenhäusern verkauft werden, teurer seien. 15 Prozent der Befragten waren sich des Risikos eines Antibiotikamissbrauchs nicht bewusst. Viele Patienten sind der Meinung, dass Antibiotika ein Allheilmittel seien, und wissen nicht, dass sie nur gegen Bakterien wirken. Sie sind in Wirklichkeit völlig unbrauchbar gegen Virusinfektionen oder nicht bakterielle Infektionen.

Verstärkte Standardisierung der Anwendung im Krankenhaus

Während seines Amerikaaufenthaltes machte ein Arztbesuch an der Klinik der Columbia University einen tiefen Eindruck auf Professor Zhang Yongxin. Er holte sich die Grippe und ging zum Arzt. Nach einer Untersuchung riet ihm der Arzt, nach Hause zu gehen, sich auszuruhen und viel Wasser zu trinken, ohne ihm eine einzige Tablette zu verschreiben. Damals konnte Professor Zhang den Rat des Arztes nicht glauben, aber heute unterstützt er stark die möglichste Vermeidung des Antibiotikagebrauchs. Es ist aber schwer, diese Idee in chinesischen Krankenhäusern umzusetzen. „Die meisten Patienten gehen ins Krankehaus, wenn sie Fieber haben. Wenn ihnen keine Antibiotika verschrieben werden, denken sie, die Ärzte nähmen ihre Aufgabe nicht ernst“, sagt Doktor Xie vom Beijinger Freundschaftskrankenhaus. „Da einige Patienten schon Antibiotika zu sich genommen haben, bevor sie ins Krankenhaus kommen, haben die Ärzte keine Wahl, als noch mehr herzugeben.“

Andererseits gibt es zur Zeit noch keinen landesweiten Standard, der die Anwendung von Antibiotika in Krankenhäusern reguliert. Sie werden Berichten zufolge 75 Prozent der Grippepatienten verschrieben und bei unglaublichen 95 Prozent von Operationen verwendet. Antibiotika machen 35 Prozent der Medikamente aus, die in Krankenhausapotheken ausgegeben werden, im Vergleich zu 15 Prozent in Kanada und 30 Prozent in den USA. Statistiken des Kinderkrankenhauses, das der Shanghaier Fudan-Universität angeschlossen ist, zeigen, dass die drei profitabelsten Medikamente alle Antibiotika sind. Viele Ärzte ziehen es vor, Antibiotika zu verschreiben, besonders teure, importierte, da sie schnelle Wirkung haben.

Verkaufseinschränkungen für Antibiotika

Liang Rong hatte vor kurzem Halsschmerzen und ging zur Apotheke, um Medizin zu kaufen. Doch ihm wurde mitgeteilt, dass Antibiotika nur mit einem ärztlichen Rezept erhältlich wären. Am 1. Juli 2004 gab das Staatliche Amt für Kontrolle und Verwaltung von Nahrungsmitteln und Medikamenten eine Mitteilung heraus, um die Kontrolle des Verkaufs von antibakteriellen Medikamenten in Apotheken zu stärken. Die Mitteilung gab bekannt, dass Apotheken nicht erlaubt ist, Antibiotika „am Schalter“ rezeptfrei zu verkaufen. Einige große Apotheken haben ihr Verkaufssystem schon umgestellt. Laut der Beijinger Apotheke zum Goldenen Elefanten können Patienten Antibiotika schon nicht mehr rezeptfrei bekommen.

Die Zentralregierung hat Maßnahmen ergriffen, um die Antibiotikapreise unter Kontrolle zu bringen, und führte Preisobergrenzen für bestimmte Medikamente ein. Diese Maßnahmen haben eher negative Auswirkungen auf die Bilanzen pharmazeutischer Firmen als auf die der Krankenhäuser. Liu Cunzhou, Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Harbin Pharmaceutical Group, weist darauf hin, dass 80 Prozent ihrer Antibiotika von Krankenhäusern gekauft werden und nur 20 Prozent von Apotheken. Alleine Lius Gruppe verlor 2004 in den sechs Monaten nach Herausgabe der Mitteilung 500 Millionen Yuan an Profit.

Vor 50 Jahren war die Zentralregierung nicht in der Lage, Krankenhäuser finanziell stark zu unterstützen. Deshalb erlaubte sie ihnen, Medikamente im Großhandel einzukaufen und sie in ihren eigenen Apotheken zu verkaufen und dadurch einen größeren Profit zu erzielen. Für viele Krankenhäuer macht der Medikamentenverkauf heute noch einen großen Teil des Einkommens aus. Dieses Phänomen scheint auch der Hauptgrund für den Antibiotikamissbrauch zu sein, da Ärzte oft ermutigt werden, teurere Medikamente zu verschreiben, um die Profite anzukurbeln.

Professor Zhang Yongxin vertritt die Auffassung, dass die medizinische Verwaltung solide Maßnahmen treffen muss, um die wissenschaftliche Anwendung von Antibiotika voranzutreiben und Ärzte in dieser Hinsicht besser auszubilden. Das chinesische Gesundheitsministerium formuliert gerade die ersten nationalen Richtlinien für rationalen Gebrauch von Antibiotika. Früher waren die lokalen Regierungen für die Bestimmung von Richtlinien für die medizinische Behandlung inklusive der Genehmigungsverfahren und der Verwaltung verschiedener Medikamente zuständig.

Die Standardisierung der Anwendung von Antibiotika ist von Vorteil für die ganze Gesellschaft, aber einfach Einschränkungen für den Verkauf und für Preise einzuführen, wird das Problem nicht lösen. Es müssen effektivere Maßnahmen ergriffen werden, um die Anwendung von Antibiotika wissenschaftlicher zu kontrollieren. Währenddessen können die Bürger selbst eine Rolle spielen, indem sie zur Einsicht gelangen, dass das Einwerfen von Tabletten nicht die beste Lösung gegen jede Krankheit ist.

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