April 2005
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Eine junge Familie in Beijing

 

Von Zhou Jian

Cheng Jian und Zhao Zhihong heirateten, sobald sie ihr Studium an der Peking-Universität am 2. Juli 1997 abgeschlossen hatten. Sie hatten sich erst einige Monate zuvor in einer Fahrschule kennen gelernt, wo sie ihre Führerscheine am 31. März desselben Jahres erhielten. Es war Liebe auf den ersten Blick.

Nach dem Studium fand Cheng einen Arbeitsplatz bei einer Monatszeitschrift für ausländische Leser, und Zhao bei einem chinesisch-amerikanischen Joint-Venture für Reinigungsmittel und -geräte. Cheng kommt aus der Provinz Sichuan in Südwestchina, die für ihre scharfe Küche bekannt ist. Ihre Eltern und ihr um ein Jahr jüngerer Bruder leben in Chengdu, der Hauptstadt dieser Provinz. Zhao wurde in Beijing geboren und ist das einzige Kind seiner Eltern. Nach der Heirat wohnte das junge Ehepaar aber nicht bei den Eltern Zhaos, um die Welt zu zweit zu genießen. Sie mieteten ein nur 9 m2 großes Zimmer, das zu einer ca. 50 m2 großen Wohnung im nördlichen Stadtteil gehört. Die Miete betrug monatlich 650 Yuan (1 Euro entspricht ein bisschen mehr als 10 Yuan). Ein halbes Jahr später zogen sie in eine rund 50 m2 große Wohnung in Südbeijing um. Für die Miete brauchten sie nicht viel mehr auszugeben, weil die Wohnungen im südlichen Teil Beijings viel billiger als die im Norden sind. Anderthalb Jahre später, nämlich im Oktober 1999, zogen sie noch einmal um. Die Zeitschrift, bei der Cheng arbeitet, teilte ihr eine Wohnung im westlichen Stadtteil zu, aber nicht die ganze, d. h., Cheng und Zhao mussten sie mit einem anderen jungen Ehepaar teilen. Das war selbstverständlich furchtbar unangenehm und überhaupt nicht bequem. So entschieden sie im August 2000, sofort nach ihrer Österreich-Reise, mit Hilfe eines Bankkredites eine eigene Wohnung zu kaufen. Am 28. Dezember desselben Jahres zogen sie zum bisher letzten Mal um und feierten in ihrer neuen Wohnung das Neujahr 2001.

Vor ihrer Österreich-Reise reisten Cheng und Zhao Anfang 1998 während des Frühlingsfest-Urlaubs nach Thailand. Das war eine 8-tägige Gruppenreise, die das Reisebüro CTS (China Travel Service) organisierte. Im Vergleich damit war die individuelle Österreich-Reise viel interessanter. Vom 3. bis zum 17. Juli 2000 reisten die beiden auf Einladung eines Freundes Chengs nach Österreich. Vorher mussten sie bedauerlicherweise auf das Visum 72 Tage warten. Hoffentlich wird die Erledigung eines Österreich-Visums in Zukunft einfacher und schneller werden. Während der Österreich-Reise hielten sich Cheng und Zhao meist in Salzburg auf, weil Chengs Freund dort wohnt. Die in den Augen der Chinesen klein scheinende Stadt Salzburg und ihre Umgebung sowie die Bergstadt Innsbruck haben einen sehr guten Eindruck auf Cheng und Zhao gemacht. Dort gibt es wenige moderne Gebäude und wenige Menschen, die Luft ist sehr frisch und die Landschaft ist bildschön. Dagegen ist Beijing eine übergroße Stadt mit zu vielen Hochhäusern, Autos und Menschen, deren Zahl nach der jüngsten Statistik 14,92 Mio. beträgt, und zu wenigen Grünanlagen pro Kopf. Die Luft ist schon längst schwer verschmutzt. Diese Stadt ist eigentlich nicht geeignet für das Leben, meint Cheng. Aber es gibt in einer Metropole wie Beijing viel mehr Gelegenheiten für junge Leute, sich durchzusetzen. Anders als Cheng liebt Zhao seine Heimat Beijing, denn hier wurde er geboren.

Von 24. September bis 7. Oktober 2004 flogen Cheng und Zhao zum zweiten Mal auf Urlaub nach Europa. Europa ist das beliebteste Reiseziel der beiden. Diesmal war es wiederum eine individuelle Reise und sie hatten ein Schengenstaaten-Visum bei der deutschen Botschaft in Beijing beantragt. Weil sie ihre Visen ganz spät bekamen, mussten sie teurere Flugtickets (9800 Yuan pro Kopf für Hin- und Rückflug zwischen Beijing und München) kaufen. Auf dem Reiseprogramm standen München, Stuttgart, Berlin, Düsseldorf, Köln, Frankfurt usw. Besonders interessant für Zhao war, dass sie sich in Leverkusen ein Fußballspiel (Leverkusen gegen Hamburg) ansahen. Denn er ist ein Fußballfan und spielt oft selbst am Wochenende Fußball mit Freunden. Er hat vor, 2006 noch einmal nach Deutschland zu reisen. Übrigens macht man heutzutage in Beijing beim Vermieten von Fußballplätzen sehr gute Geschäfte. Die Miete für ein Spiel mit zwei Schiedsrichtern und und manchmal Mineralwasser für die Spieler beträgt zwischen 900 bis 1500 Yuan, je nach der Qualität und der Lage des Platzes.

Anfang 2003 brach in China die SARS-Epidemie aus. Aus Angst davor vermeidete man möglichst, öffentliche Stätten zu besuchen. Während jener Periode machten Cheng und Zhao häufig Ausflüge. Das war, kann man so sagen, auch der Auftakt des Aufschwungs des Out-Door-Sports in Beijing. Heute fahren Cheng und Zhao fast an jedem Wochenende zum Bergsteigen. Bei schönem Wetter wandern sie stundenlang in Bergen der Umgebung. In Beijing sind in diesen Jahren viele Läden für Out-Door-Kleider und -ausrüstung sowie Abteilungen in Kaufhäusern entstanden. Die teurste Marke ist The North Face aus den USA. Die deutsche Marke Jack Wolfskin kann man noch nicht erhalten. Auf ihrer Deutschland-Reise im vorigen Jahr haben Cheng und Zhao in Berlin mehrere Waren dieser Marke gekauft.

Cheng arbeitet bei einer staatlichen Zeitschrift, hat fast keinen Stress in der Arbeit und verdient dementsprechend schlecht. Zhao fährt jede Woche auf Dienstreise und ist nur am Wochenende zu Hause. Dass die beiden nicht jeden Tag zusammen sind, ist wohl der Hauptgrund dafür, dass sie einander noch heute, nach der mehr als siebenjährigen Ehe, anziehend finden.

Cheng und Zhao führen ein wohlhabendes Leben. Sie haben zwei Wohnungen (im vorigen Jahr haben sie die ganze Wohnung, die sie früher mit einer anderen Familie teilen mussten, mit Erlaubnis der Arbeitseinheit gekauft) und ein Auto und können sich jährlich Reisen im In- oder Ausland leisten. Trotzdem träumt Zhao immer davon, dass eines Tages plötzlich Millionen Yuan vom Himmel auf seinen Kopf fallen würden. Somit müsste er nicht mehr arbeiten und könnte mit Cheng eine Weltreise machen.

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