April 2005
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Eine sanfte Landung der Wirtschaft: ein verbreiteter Wunsch

 

Von Mitarbeiter Luo Yuanjun

Eine wirtschaftliche sanfte Landung bezieht sich auf die stetige Abbremsung einer überhitzten Wirtschaft, bis sie auf eine gemäßigtere Wachstumsrate zurückgeführt wird. Als solche scheint sie sich zwar eher auf Makrosteuerungen der Regierung zu beziehen als auf die Wünsche der Normalbürger, sie wirkt sich aber als Abkühlung des heftigen Wirtschaftswachstums aus, das hohen Druck auf das Alltagsleben ausübt, und ist deshalb von Nutzen für die Gesellschaft.

Chinas sieben Fälle überhitzten wirtschaftlichen Wachstums seit 1949

Das neue China hat seit seiner Gründung 1949 sieben Male ein überhitztes Wirtschaftswachstum erlebt. Alle führten zu schweren Verlusten. Von den ersten drei, die vor Chinas Reform und Öffnung 1979 passierten, war das höchste Wirtschaftswachstum 21,3 Prozent im Jahre 1958, 1964 lag es bei 18,3 Prozent und 1970 bei 19,4 Prozent. Im Anschluss an alle drei gab es Schrumpfungen. Wenn man die Wirtschaftsschwankungen der Periode von 1958–1962 als Beispiel nimmt, erlitt die chinesische Wirtschaft nach einem Höchststand der Zuwachsrate im Jahre 1958 anhaltende Schrumpfungen in den drei Jahren von 1960 bis 1962, mit minus 29,7 Prozent Wachstum im Jahre 1961 – einem Wachstumsunterschied von 51,7 Prozentpunkten. Dieses erste Wirtschaftsfieber verzögerte das chinesische Wirtschaftswachstum sieben Jahre lang und erst 1964 schaffte China es, das Wirtschaftsniveau von 1957 wiederherzustellen.

Die höchsten Zuwachsraten der anderen vier Male waren niedriger: 11,7 Prozent im Jahre 1978; 15,2 Prozent im Jahre 1984; 11,6 Prozent im Jahre 1987 und 14,2 Prozent im Jahre 1992. Es folgten keine Schrumpfungen der Wirtschaft, aber eine Abnahme des Wirtschaftswachstums war unvermeidbar. Die Regierung reagierte auf diese vier Höchststände verspätet und die Maßnahmen, die dann getroffen wurden, waren zu abrupt. Erst im Jahre 1993 wurde eine sanfte Landung bewerkstelligt.

Nahrungsmittel

Getreidepreisanstiege in den letzten Jahren brachten kleine wirtschaftliche Gewinne für Bauern, hatten aber eine gegenteilige Auswirkung auf die Konsumenten, besonders auf Familien mit niedrigem Einkommen und Bauern, die als Wanderarbeiter in städtischen Gebieten arbeiten. Seit den Makrosteuerungen der Regierung begannen die Getreidepreise Ende 2004 zu fallen. Chinesen sehen 2005 als das Jahr der sanften Landung der Wirtschaft.

Steigende Nahrungsmittelpreise waren 2004 ein deutliches Merkmal des chinesischen Wirtschaftslebens. Laut einer vom Staatlichen Statistikbüro am 13. September 2004 herausgegebenen Statistik stiegen die Getreidepreise im August 2004 um 31,8 Prozent, Speiseöl um 22,5 Prozent, Fleisch, Geflügel und Tierprodukte um 23,5 Prozent, Eier um 30,3 Prozent, Süßwasser- und Meeresfrüchte um 15,6 Prozent und Gemüse um 5,8 Prozent. Preiszunahmen dieses Ausmaßes sind in jedem Fall alarmierend.

In den letzten Jahren haben die Bauern wegen der niedrigen Preise für Landwirtschaftsprodukte und der zunehmenden Produktionskosten mit Verlust gearbeitet. In manchen Gebieten haben sie auf der Suche nach anderen Einkommensmöglichkeiten ihr Land ganz verlassen. Naturkatastrophen wie Überschwemmungen erschwerten die Situation, da sie die Getreideerträge reduzierten und die Regierung dazu zwangen, die Versorgung durch die Getreidereserven abzusichern. Preissteigerungen der Verbraucherprodukte gemeinsam mit Steigerungen der Getreidepreise haben die Bedrohung durch Inflation verstärkt.

Gezielte Maßnahmen der Regierung, die die Bauern dazu ermutigen sollen, auf ihrem Land zu bleiben, zeigten gute Resultate. Sie beinhalten den Erlass und die Ermäßigung von Landwirtschaftssteuern und gesteigerte Subventionen. Noch vor kurzem waren Bauern bereit, Leute zu bezahlen, die ihr Land bewirtschafteten und von der Ernte profitierten, während sie in die Stadt gingen, um Arbeit im nicht- landwirtschaftlichen Sektor zu finden. Viele sind nun wieder auf ihr Land zurückgekehrt.

Wie ein Bauer aus der Provinz Anhui bestätigt, brachten die Getreidepreissteigerungen viel größeren Gewinn für die Händler als für die Bauern. Er fragt: „Wie können wir Bauern die Oberhand über die Händler gewinnen, deren Zugang zu Marktinformationen sie viel gewiefter macht, als wir jemals sein können? Wenn die Regierung uns Bauern wirklich helfen will, sollten sie direkte Subventionen einführen.“

In der Zwischenzeit haben die Getreidepreissteigerungen den Einwohnern mit niedrigem Einkommen einen heftigen Schlag erteilt. Ende 2003 lag die Zahl der armen Stadtbewohner, die von staatlicher Unterstützung leben, bei 22,468 Millionen. Für sie waren die Getreidepreissteigerungen verheerend. Um ihre Last zu erleichtern, führte die Beijinger Stadtregierung am 1. Juli 2004 systematische und auf Spezialprojekte ausgerichtete Hilfsmaßnahmen ein, während sie die minimale Existenzgrundlage von 290 Yuan pro Monat aufrechterhielt.

Bauern, die in Hilfsarbeiterjobs in großen Städten arbeiten, ergeht es noch schlechter als den armen Stadtbewohnern. 1993 fand Bao Richang Arbeit in Guangzhou als Sicherheitswächter mit einem Monatslohn von 600 Yuan. Er fand die Bezahlung angemessen für saubere, unanspruchsvolle und regelmäßige Arbeit. 2003 verließ sein Sohn Bao Ming sein Dorf, um bei ihm zu leben, doch er lehnte den Job als Sicherheitswächter ab, den Bao Richang für ihn zum gleichen Lohn gefunden hatte, und sagt: „Vor zehn Jahren kostete eine Mahlzeit nur zwei Yuan im Vergleich mit den heutigen fünf Yuan. Wieviel bleibt mir da von meinen 600 Yuan? Es würde mir nicht besser gehen, als zu Hause bei der Arbeit am Bauernhof.“

Laut einer kürzlichen Umfrage des Shanxier Provinzverbands der Gewerkschaften üben die meisten Bauern, die als Arbeiter arbeiten, gefährliche körperliche Arbeit aus, wie in Bergwerken und auf Baustellen. Ihre Monatslöhne sind niedrig; 8,6 Prozent bekommen weniger als 300 Yuan pro Monat und 24,3 Prozent verdienen zwischen 300 und 500 Yuan (weniger als das lokale Mindesteinkommen im Jahre 2004). Da sie Getreideprodukte kaufen müssen, um sich zu ernähren, waren die höheren Getreidepreise für sie ein gravierendes Problem.

1978 war der Engel-Koeffizient (der Einkommensanteil, der für Nahrung ausgegeben wird) für chinesische ländliche Haushalte 67,7 Prozent und 57,7 Prozent für städtische Haushalte. 2003 fiel er auf 45,6 Prozent beziehungsweise 37,1 Prozent, als der chinesische Verbrauch, besonders in den Städten, den Übergang von Existenzsicherung zu Luxus vollzog. Weniger als ein Jahr später, kehrte sich diese Trendentwicklung um.

Laut einer Untersuchung der Abteilung für Haushalte des Forscherteams für die Datenerhebung über Wirtschaft und Gesellschaft in urbanen Gebieten der Provinz Henan stieg in der ersten Hälfte des Jahres 2004 das Verbraucherniveau in Henan um 5,6 Prozent verglichen mit der gleichen Zeitspanne im vorigen Jahr. Diese Zunahme als Konsequenz der stetig steigenden Marktpreise war den Mehrausgaben für Nahrungsmittel zuzuschreiben und nicht den Ausgaben für andere Produkte. Durch den Anstieg der Nahrungsmittelpreise neigte sich der städtische Verbrauch weiter in Richtung Güter des täglichen Bedarfs und erhöhte den Engel-Koeffizienten und brachte eine schwerere Belastung der Familien mit niedrigem Einkommen mit sich.

Preissteigerungen landwirtschaftlicher Produkte hervorgerufen durch eine stetige Abnahme der heimischen Getreideerträge und höhere Preise auf den internationalen Märkten hoben die Preise der Verbrauchsgüter an und stellten eine größere Inflationsgefahr dar. Um eine wirtschaftliche sanfte Landung fertigzubringen und Preissteigerungen zu drosseln, ist es ein Muss für die chinesische Regierung, 2005 umgehend Makrosteuerungen zu beschleunigen.

Wohnungswesen

Überhitzte Investitionen im Immobilienbereich sind meistens die Hauptschuldigen einer überhitzten Wirtschaft. Wenn die Wohnrechte der Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen nicht gewahrt werden können, ist die chinesische Regierung mit ernsthaften sozialen Schwierigkeiten konfrontiert. Der Anstieg der RMB-Zinssätze im Oktober 2004, der erste seit neun Jahren, kontrollierte in einem gewissen Ausmaß die Immobilieninvestitionen. Viele chinesische Einwohner hoffen, dass 2005 die Wohnungspreise auf ein eher rationales Niveau fallen.

Hou Jun, 34, arbeitet für ein Regierungsorgan in Beijing. Sie ist nicht verheiratet, weil sie nicht genug ihres Monatslohns von 2500 Yuan sparen konnte, um ihre eigene Wohnung zu kaufen. Nachdem sie sich die erste Projektphase eines Apartments, das 4000 Yuan pro Quadratmeter kostete, in den westlichen Vororten angesehen hatte, hatte sie vor, ein Apartment zu kaufen. Aber als die zweite Phase des Projekts abgeschlossen war und die Wohnung zum Verkauf stand, war der Quadratmeterpreis auf 6000 Yuan angestiegen – weit über ihren Möglichkeiten. Sie weiß nun nicht, was sie tun soll. Wohnungsprojekte auf dem offenen Markt, wie die in den westlichen Vororten, nach denen sie sich erkundigt hatte, sind zu teuer für sie und sie will sich nicht der Meute anschließen, die sich um die billigeren Sozialwohnungen reißt, die von der Regierung gefördert werden.

Die mehr wirtschaftlich Orientierten freuen sich aber über diesen Markttrend der hohen Immobilienpreise. Bei einer Rede in Nanjing machte der Wirtschaftler Wang Jian die kühne Voraussage: „Die Wohnungspreise in großen Städten, wie Beijing, Shanghai und Nanjing werden sich in der nächsten Dekade verdreifachen, und das ist eine konservative Annahme. Optimistischerweise werden sie sich verfünfachen.“ Ein Unternehmer antwortete: „Ich freue mich, so ermutigende Worte zu hören, bedaure aber, dass ich nicht schon früher davon gehört habe, sonst hätte ich einige Häuser mehr gekauft.“

Finanziell weniger gut situierte Leute haben es schwer, den Humor in diesen unternehmerischen Aussagen zu sehen. Im Fall von Hou Jun würde der Kauf einer 80-Quadratmeter-Wohnung am Markt um 6000 Yuan pro Quadratmeter bedeuten, 50 Jahre lang 10 000 Yuan jährlich zur Seite zu legen. Die chinesischen Immobilienpreise sind einfach zu hoch für chinesische Kunden.

Es gibt mehrere Gründe für den chinesischen Immobilienboom. Einer ist der Glaube, dass die beste Investition für das Familienvermögen Immobilien sind, da Aktien entwertet werden können, Ziegel und Mörtel aber nicht, ihr Wert steigt sogar manchmal. Aus der Sicht des Marktes hat die beschleunigte Urbanisierung in China die Nachfrage nach Wohnungen gesteigert und die zügellose Immobilienwerbung der Bauunternehmer in den Medien hat geholfen, die Marktpreise hinaufzutreiben. Weiters profitieren ausländische Finanzunternehmen von den Medienberichten über die Immobilienblase.

Ende November 2004 hat das Wirtschaftsforschungsinstitut der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform einen Bericht namens Die Finanzpolitik regulieren und die Geldmittelknappheit verringern herausgegeben. Der Bericht deckte auf, dass mehr als 100 Milliarden US-Dollar Umlaufvermögen aus dem Ausland auf Chinas Festland gekommen sind. Darin steht: „In der Hälfte dieses Jahres (2004) stiegen die Auslandsschulden um 16 Prozent und erreichten dadurch 200 Milliarden US-Dollar, 50 Prozent davon sind Kurzzeitschulden ähnlich dem ,Umlaufkapital‘.“ Statistiken zeigen, dass Immobilien das Hauptziel dieses „Umlaufvermögens“ sind.

In den letzten fünf Jahren war Hangzhous Immobilienpreisanstieg einer der drei führenden unter den fünfzehn Städten auf sekundärer Provinzebene und den vier regierungsunmittelbaren Städten. Seit 1999 hat der dortige Immobilienmarkt zunehmende Investitionen und Verkaufszuwachs erfahren und lokale Konsumenten zeigten große Kaufkraft. Die Preise stiegen in den letzten fünf Jahren über 30 Prozent.

Um überhitzte Wohnungsgeschäfte abzukühlen, hob Hangzhou ab 1. Januar 2004 eine 20-prozentige Geschäftssteuer für Gebrauchtwohnungen ein. Aber diese Politik wurde am 1. September desselben Jahres klammheimlich wieder abgeschafft, da sie paradoxerweise anfing als Propeller für höhere Immobilienpreise zu dienen; die Verkäufer bürdeten den Hauskäufern die Steuer auf und erhöhten dadurch die Wohnungspreise.

Hangzhous Situation ist ein typisches Beispiel, das die Notwendigkeit für eine sanfte Landung zeigt. Eine Marktwirtschaft ist ein ganzheitliches Gebilde, in dem das exzessive gesamte Wirtschaftswachstum nur durch eine sanfte Abnahme der ganzen Wirtschaft kontrolliert werden kann.

Heute besitzen 72 Prozent der chinesischen Stadtbewohner ihre eigene Wohnung. Viele machen sich Sorgen, dass ein Niedergang der Wohnungspreise Verluste bedeutet, besonders die Wohnungen mit Krediten. Doch es ist allgemein bekannt, dass die Wohnungspreise eingedämmt werden müssen, besonders, wenn man an den Schaden für die Hong Konger Wirtschaft denkt, nachdem sie im Zentrum der kürzlichen asiatischen Finanzkrise stand. Dr. Yin Zhongli von der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften fasst zusammen: „Aus einer kurzfristigen Sicht heraus kann Immobilienspekulation das Wirtschaftswachstum anregen, doch langfristig gesehen unterscheidet sich so eine Stimulation nicht wenig von einer Kontoüberziehung; sie erzeugt keinen wirklichen wirtschaftlichen Wohlstand.“

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