Die
DV-Welle in China
Von
unserem Mitarbeiter Dong Ning


Während
die Digitalvideo-Welle über China schwappt, ist eine In-Phrase
im Internet, in Modemagazinen, auf dem Unicampus und bei der
jüngeren Generation in aller Munde: „Hast du heute schon DV
verwendet?“. Das Wort DV hat seine Originalbedeutung überschritten
und ist zu einer Art Lebensstil geworden. Als Starbucks und
Italo Calvino zum ersten Mal China betraten, wurden sie als
ultimative Statussymbole betrachtet, bis sie überall zu finden
waren. Das gleiche gilt für DV: Indem unzählige Jugendliche
über DV reden und Digitalvidoes fabrizieren, wird DV zum weit
bekannten Phänomen. Manche Leute setzen DV fälschlicherweise
mit Film gleich. Sowohl beim Drehen von Film wie auch von DV
fängt ein Objektiv bewegte Bilder ein, und Licht wird in
Bilder verwandelt. Aber dadurch, dass das Material bei Film
und DV unterschiedlich ist, ist auch das Resultat nicht gleich.
Diese Modewelle inspirierte viele junge Leute, ihre eigenen
DVs mit einer leicht zu handhabenden und relativ billigen Videoausstattung
zu produzieren. Fernsehstationen unterstützen den Trend, indem
sie Wettbewerbe für Professionelle und Amateure abhielten.
DV machte in
China eine beachtliche Entwicklung durch und ist hier bleliebter
als in anderen Ländern. Die Annehmlichkeiten und die Erschwinglichkeit
der Ausstattung lässt der Kreativität der chinesischen
Jugendlichen freien Lauf. DV brachte viele anerkannte Filme,
vor allem Dokumentarfilme über das Alltagsleben, hervor. Der
Digitalfilm „Unknown Pleasures“ des chinesischen Regisseurs
Jia Zhangke nahm sogar am 55. Filmfestival von Cannes teil.
Kurze, aber
glorreiche Vergangenheit
DV
wurde 1996 in Japan erfunden und anfangs von Amateuren verwendet.
Technische Neuerungen und Entwicklungen der Computerunterstützung
verhalfen ihm zu Popularität unter DV-Filmemachern und
bei den professionellen Medienmachern. Das Medium wurde zum
Markenzeichen von Dogma 95, einer visionären Gruppe vier
dänischer Filmregisseure: Soeren Kragh-Jacobson, Kristian
Levrin, Thomas Vinterberg und Lars von Trier. Triers „Dancer
in the Dark“ ist wahrscheinlich der bis jetzt berühmteste Digitalfilm.
Gedreht im Jahr 2000 mit der isländischen Sängerin
Björk in der Hauptrolle und der hochverehrten französischen
Schauspielerin Catherine Deneuve in einer Nebenrolle, erzählt
uns der Film die Abwandlung einer altbekannten Form: Die einfache
Geschichte einer armen Immigrantin, die arbeitet, um ihr Kind
durchzubringen. Der Film gewann die Goldene Palme und wurde
damit zum Startschuss für die globale DV-Bewegung.
Der Einzug
in China
Die Entwicklung
von DV in China kann in drei Etappen eingeteilt werden. Zwischen
1996 und 2000 kam DV nach China und kurbelte hier die Entwicklung
des individuellen Filmschaffens an. Die frühen Werke waren hauptsächlich
Dokumentarfilme -Yang Tianzis „Old Men“, Wu Wenguangs „Jiang
Hu“, Ju Anqis „There is a strong Wind in Beijing“ und Zhu Chuanmings
„Beijing Cotton Fluffing Artisan“.
Die
zweite Etappe von 2001 bis 2002 brachte die Teilnahme der Medien
mit sich: DV wurde viel Aufmerksamkeit entgegengebracht und
ein Wettbewerbssystem wurde etabliert. Mit der Zunahme der Werke
nahm die Qualität ab. Im Mai 2001 eröffnete das Kunstmagazin
Art World die Kolumne DV Image Workstation, die
DV-Arbeiten und Grundlagenwissen über DV vorstellte. Ihr erster
Kolumnist war Wu Wenguang, ein DV-Filmemacher und Pionier des
chinesischen Digitalfilms. Da sich die Leserschaft hauptsächlich
aus Angestellten und urbanen Intellektuellen zusammensetzte,
war DV anfangs eine elitäre Ausdrucksform. 2001 hielt Phoenix
Satellitenfernsehen den Universitätswettbewerb „Chinese
Youth Video Exhibition: DV New Age“ ab und bat um DV-Werke
aus dem Universitätscampus. Studenten wurden mit DV-Ausrüstungen
und einem Budget ausgestattet und dazu ermuntert, Digitalfilme
zu drehen. Die ausgewählten Werke wurden ab Januar 2001
im Fernsehen ausgestrahlt und stießen auf großes
Interesse. Mit der täglichen Zunahme der Einschaltquote
nahm auch die Beliebtheit von DV bei den chinesischen Intellektuellen
und Jugendlichen zu, und DV wurde zum Mittelpunkt verschiedener
Druckmedien, Fernsehstationen und des Internets. Leute riefen
das „DV-Zeitalter“ aus und Filmliebhaber gründeten Organisationen
wie die „Beijinger Jugendgesellschaft für Filmpraxis“, die im
April 2000 in Beijing gegründet wurde, das „Shanghai Filmstudio“
und das „Heckfenster Nanjing, Studiengesellschaft für Kunstfilm“.
Sie stellten Kunstfilme vor, produzierten und verbreiteten Digitalfilme,
organisierten Veranstaltungen und schrieben Artikel, um die
Bewegung publik zu machen.
Die dritte Phase
der DV-Bewegung begann 2002 und setzt sich bis heute fort. Die
DV-Welle hat sich abgekühlt und DV-Filmemacher, Organisatoren
und Kritiker haben sich einer Selbstprüfung unterzogen. Die
Leute verlieren das Interesse an DV, weil diese Filme in ihren
Augen zu wenig individuell oder übertrieben sind. Die Vertreter
der Massenmedien rufen die DV-Macher dazu auf, sich auf das
Erlernen der Videosprache und die Beherrschung der technischen
Grundkenntnisse zu konzentrieren. Obwohl DV seinen Glanz verloren
hat, sagen Experten voraus, dass nach diesem Zyklus der Selbstprüfung
und einer Rückkehr zu den Grundlagen das Medium nach neuen Vorstößen
verjüngt hervorgehen wird.
Das chinesische
DV-Drama „Dream Night“, koproduziert von Xiao Qi und seinen
Klassenkameraden aus der Beijinger Filmakademie, gewann den
Digitalpreis des 2. Samsung Digitalman Wettbewerb. Xiao,
der vier Jahre professioneller Ausbildung an der Filmakademie
Beijing hinter sich hat, findet, dass DV mit einer professionellen
Ausstattung bezüglich der Filmqualität nicht mithalten
kann, aber was die Zweckmäßigkeit und Flexibilität
angeht, führt DV bei weitem. Die neue Erfindung lässt der
Kreativität freien Lauf.
Li Xiao studiert an der Landwirtschaftsuniversität
des Südwestens, nicht an einer Filmakademie, aber er drehte
dennoch gemeinsam mit einigen Freunden den Digitalfilm „Hybrid
Rice“. Li sagt, dass DV die Kluft zwischen Professionellen und
Amateuren verringert, da es weniger Zeit und ein kleineres Budget
verlangt und einfach zu handhaben ist. DV bietet eine Bühne
für Universitätsstudenten, auf der sie ihre Ideen austauschen
können.