Mai 2004
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Arbeitsaufzeichnungen von einem Helfer der Aidswaisenkinder

Von Hu Jia

Am 1. Dezember 2003 sendete das chinesische Zentralfernsehen (CCTV) ein Sonderprogramm über das Problem der Aidswaisenkinder, das landesweit große Aufmerksamkeit erregte. Kurz darauf spendeten die Volksmassen dem Waisenhaus namens „Familie der Liebe“, über das im Programm berichtet wurde, eine große Menge von Gütern. Eine neue Stufe in der Unterstützung der Aidswaisenkinder durch die Volksmassen war erklommen.

Bereits im Jahr 2002 strahlte der Volksrundfunk Beijing ein Programm über den Mangel an Nahrung und Kleidung der Aidswaisenkinder aus und rief zu einer Spendenaktion auf. Am 1. Dezember, dem internationalen Aidstag, kamen Dutzende von Menschen mit großen und kleinen Kleiderbündeln zur Spendenstelle, die in der Nähe des Lamatempels liegt. Einige junge Frauen, die für multinationale Konzerne arbeiten, brachten die Kleider in Ordnung und schnürten sie zusammen. Sie hatten sich als Freiwillige gemeldet und genossen diese sinnvolle Arbeit. Eine über 80-jährige Frau kam mit einer großen Tasche auf Krücken zu uns gehumpelt. Sie hatte die Spendenstelle lange suchen müssen, weil wir den Weg nicht deutlich beschrieben hatten. Wir baten sie um Verzeihung und boten ihr einen Stuhl an. Eine Freiwillige massierte ihre Beine und eine andere überreichte ihr eine Tasse heißen Tee. Die alte Frau schärfte uns wiederholt ein, sicher zu gehen, dass die Güter in die Hände der Waisenkinder gelangten. Wir nahmen ihre Forderung mit großem Ernst zur Kenntnis. Vor dem Weihnachtsfest 2002 schneite es in Nordchina acht Tage ununterbrochen sehr stark, das erste Mal seit 163 Jahren, wie man den meteorologischen Aufzeichnungen entnehmen konnte. Der Schnee fiel in dichten, wirbelnden Flocken und die Straßen waren blockiert. An einem bitterkalten Tag brachen wir mit über 1000 von den Beijingern gespendeten Kleidungsstücken zu den Dörfern Yangcun und Shilipu im Kreis Shangcai in der Provinz Henan auf, um die Aidskranken und Waisenkinder zu besuchen.

Im kalten Winter sind die HIV-Positiven sehr geschwächt und Komplikationen treten auf. Zu dieser Zeit nimmt die Zahl der Aidskranken schnell zu, die Sterberate erreicht einen Höhepunkt und damit auch die Zahl der Waisenkinder. Die Eltern hatten ursprünglich aus finanziellen Gründen ihr eigenes Blut verkauft, aber jetzt, da sie an Aids leiden, haben sie ihre Arbeitsfähigkeit verloren. Darüber hinaus müssen sie die Kosten der medizinischen Behandlung selbst tragen. So sind die Familien im Endeffekt noch ärmer als zuvor. Überdies müssen die Aidskranken und deren Familienangehörige die körperlichen und seelischen Qualen ertragen, die die Diskriminierung mit sich bringt.

Als die Kinder die gespendeten Kleider entgegennahmen, erschien auf ihrem Gesicht ein Lächeln. Sie hatten zum ersten Mal das Gefühl, dass sich zahlreiche Menschen in der fernen Stadt Beijing um sie kümmerten. Wir waren hocherfreut über die heitere Miene der Kinder.

Im September 2003 kam Wu Minglian mit 3000 US-Dollar, gespendet von den Auslandschinesen in San Francisco, in Beijing an. Am 26. Oktober fuhr sie in unserer Begleitung nach Henan. In Zhengzhou, der Hauptstadt der Provinz Henan, trafen wir Zhao Zhen, einen HIV-Positiven aus dem Kreis Suixian. Er wollte 25 Schülern und Schülerinnen, deren Eltern an Aids gestorben waren, das Schulgeld im Wert von 10.000 Yuan spenden. Am nächsten Morgen fuhr Zhao Zhen mit einem Langstreckenbus in sein Dorf. Die Fahrt dauerte fünf Stunden. Alle Mitglieder der Aids-Selbsthilfegruppe holten ihn an der Bushaltestelle ab. Mit diesem Geld konnten 25 Kinder ein Semester die Schule besuchen. Was Zhao Zhen den Kindern gebracht hatte, war nicht nur Geld, sondern auch Hoffnung.

Am nächsten Tag kamen wir im Dorf Wenlou im Kreis Shangcai, Provinz Henan, an. Einige HIV-Positive und Waisenkinder warteten auf uns. Diesmal sollten wir fünf Waisenkinder, die sowohl durch ihren Charakter als auch ihre Studienleistungen hervorstachen, finanziell unterstützen. Unter ihnen gab es vier Mädchen, die die Mittelschule besuchten, und einen sechsjährigen Jungen. Die Mädchen waren introvertiert, doch als ich sie nach ihren Berufswünschen fragte, antwortete eine, sie wolle Ärztin werden. Die Qualen ihrer Eltern hatten in ihr den Wunsch geweckt, einen Weg für die Bekämpfung der Krankheit zu suchen. Ich bestärkte das Mädchen in ihrem Vorhaben, obwohl ich nicht wusste, ob es später eine Möglichkeit haben würde, an einer medizinischen Hochschule ausgebildet zu werden. Ich wünschte ihr viel Erfolg.

In der Erinnerung der Waisenkinder gibt es nicht nur Trennung auf ewig, sondern auch Diskriminierung. Deshalb sollten wir alles tun, um ihre Gesichter wieder zum Strahlen zu bringen.

Hu Jia: Nach dem Hochschulabschluss im Jahr 1996 Mitglied der nichtstaatlichen Umweltschutzorganisation „Freunde der Natur“. 2001 erster Kontakt mit Aidskranken. Danach trat er einer Nichtregierungsorganisation für Gesundheitspflege bei, die Vorbeugungsmaßnahmen gegen Aids propagiert. Zur Zeit plant er, eine Organisation zur Unterstützung von Aidswaisenkindern zu gründen.

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