Mai 2004
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Der Kampf gegen Aids in China

Von Lu Rucai

Entsetzliche statistische Angaben

1985 wurde ein US-Amerikaner argentinischer Abstammung als Chinas erster Aids-Fall bestimmt. Damals waren die meisten Chinesen, das medizinische Personal eingeschlossen, noch der Meinung, dass Aids mit China gar nichts zu tun hätte. Fast 20 Jahre sind seither vergangen. Mittlerweile ist Aids in China in eine Periode der raschen Ausbreitung eingetreten. 2003 führte das chinesische Ministerium für Gesundheitswesen mit technischer Unterstützung durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Aids-Programm der Vereinten Nationen eine landesweite epidemiologische Untersuchung über Aids durch. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass es in China rund 840 000 Aids-Infizierte gibt, die in 31 Provinzen, regierungsunmittelbaren Städten und autonomen Gebieten leben. Bei mehr als 80 000 war die Krankheit ausgebrochen. Mit 840 000 HIV-Positiven nimmt China den zweiten Platz in Asien und den 14. Platz in der Welt ein. Nach den jüngsten Angaben der Chinesischen Gesellschaft für die Prophylaxe und Behandlung von Geschlechtskrankheiten und Aids machen die 20-29-Jährigen über die Hälfte der Aids-Infizierten Chinas aus.

Den statistischen Angaben zufolge erfolgte bei 68% der Aids-Fälle in China die Ansteckung durch Drogeneinnahme per Injektion. Die anderen Übertragungswege sind: Blut- und Blutplasmaspenden (9,7%), Blutprodukte (1,5%), Geschlechtsverkehr (7,2%), Übertragung von Mutter zu Säugling (0,2%) und unbekannte Ansteckungswege (13,4%), wobei die Ausbreitung von Mutter zu Säugling und durch Geschlechtsverkehr mit jedem Jahr prozentual zunimmt. Wenn keine effektiven Maßnahmen getroffen werden, wird bis 2010 die Zahl der Aids-Infizierten in China 10 Mio. übertreffen, schätzen einige Experten.

Mangel an Kenntnissen über die Aids-Verhütung und -Behandlung führt zu Angst vor dieser Krankheit

Aus Mangel an Kenntnissen über Aids hat man die Krankheit in China lange Zeit für eine Geschlechtskrankheit gehalten. Man verband Aids mit „ungesundem“ Geschlechtsverkehr. So wurde Aids in den Dörfern, in denen sich viele Bewohner mit dem HI-Virus ansteckten, die „schmutzige Krankheit“ genannt. Vom 17. November 2003 bis zum 10. Februar 2004 führte CCTV (China Centre TV) unter den Besuchern seiner Internetseite eine Umfrage bezüglich ihrer Aids-Kenntnisse durch. Insgesamt wurden 23 750 Personen befragt. 23,71% der Befragten meinten, Aids könne durch Geschlechtsverkehr übertragen werden. Fast ebenso viele (23,10%) gaben an, die Krankheit breite sich über Blut aus, 20,49% brachten eine HIV-Infektion in Zusammenhang mit Drogenkonsum, 17,64% mit Vererbung und 8% mit Mücken- und anderen Insektenstichen. Außerdem wussten nur 58,15% der Befragten, dass der 1. Dezember der Welt-Aids-Tag ist.

Der Mangel an Wissen über die Aids-Verhütung und -Behandlung hat dazu geführt, dass die Angst vor dieser Krankheit weit verbreitet ist, was für die Aids-Infizierten eine größere Belastung bildet als die Krankheit an sich. Weil die wenigsten Leute über die Ansteckungswege von Aids Bescheid wissen, will niemand Getreide oder Gemüse aus den Dörfern mit einer hohen Zahl von HIV-Positiven kaufen. Solche Dörfer genießen zwar wegen der Aids-Epidemie eine Vorzugsbehandlung durch die Regierung und sind von der Erfüllung des Getreidesolls befreit. Aber es gibt für sie keine Möglichkeit, das überschüssige Getreide in Bargeld zu verwandeln. Die Bewohner der Nachbardörfer versperren sogar ihre Fenster, die nach den so genannten „Aids-Dörfern“ gerichtet sind, aus Angst, der „Aids-Wind“ könnte ihnen die Krankheit ins Haus wehen. Für junge Leute aus den „Aids-Dörfern“ im Heiratsalter ist es unmöglich, sich mit jemandem aus einem anderen Dorf zu treffen, auch wenn ärztlich bewiesen ist, dass sie ganz gesund sind. Und wer in der Kreisstadt eine Motorradrikscha sucht, um in die „Aids-Dörfer“ zu fahren, muss häufig mit Absagen rechnen.

Ein chinesisches Befragungsinstitut hat bei 1148 Menschen in der Stadt Neijiang, Provinz Sichuan, eine Umfrage durchgeführt. Wie die Ergebnisse zeigen, hoffen 88% der Befragten, dass die Aids-Infizierten und Aidskranken keinen gesellschaftlichen Umgang mit anderen Personen pflegen. In der Tat hat es nur ein Drittel der Aids-Infizierten gewagt, ihren Gesundheitszustand bekannt zu geben. 92% von ihnen mussten daraufhin feststellen, dass sich die Leute von ihnen abwandten, anstatt ihnen für ihre Offenherzigkeit Sympathie entgegenzubringen. Gerade wegen dieser Diskriminierung hält die Mehrheit der mit Aids Angesteckten und der Aidskranken daran fest, ihren Gesundheitszustand geheim zu halten. Damit jedoch vergrößert sich das Risiko, dass HIV-Infizierte im Alltagsleben die Krankheit unabsichtlich weitergeben.

Die Regierung sagt Aids den Kampf an

Am 26. November 2003 um 15.14 Uhr wurde im ersten Programm von CCTV eine Fernsehwerbung ausgestrahlt, die darauf aufmerksam machte, dass die Benutzung von Kondomen vor Aids schützen kann. Zwar wurde diese Fernsehreklame nicht wie geplant zwei Wochen lang gesendet, aber es war der erste Spot über Kondome und Fortpflanzungsmedizin, der im Fernsehen der Landesebene Chinas lief. Dies sahen viele ausländische Medien als Symbol dafür an, dass die chinesische Regierung den Kampf gegen Aids offiziell lanciert hat.

Ein anderes Zeichen dafür ist, dass die Ausgaben der chinesischen Regierung für die  Aids-Vorbeugung und -Behandlung Jahr für Jahr deutlich zunehmen. 1996 betrugen die entsprechenden Sondermittel erst 5 Mio. Yuan, doch 2001 stieg der Betrag auf 100 Mio. Yuan pro Jahr an.

Im März 2003 unterzeichneten das Ministerium für Gesundheitswesen und die Leiter der Gesundheitsämter von 11 Provinzen ein Dokument, das die Verantwortlichkeit für die Organisation der umfassenden Aids-Verhütung und -Behandlung in Modellzonen regelt. Die ersten Modellzonen Chinas wurden zur gleichen Zeit in Henan, Hebei und Shanxi gegründet. Dort können die HIV-Infizierten Medikamente kostenlos beziehen. Zur Zeit gibt es in China nur etwa 3000 Aids-Kranke, die kostenlos mit der Cocktail-Methode behandelt werden. Nach dem Plan der Regierung sollen innerhalb von drei Jahren landesweit 124 Modellzonen eingerichtet werden.

Am 1. Dezember 2003 besuchte Ministerpräsident Wen Jiabao drei Aids-Kranke im Ditan-Krankenhaus in Beijing. Er reichte ihnen die Hand und plauderte mit ihnen. Es war der erste Händedruck zwischen einem chinesischen Ministerpräsidenten und Aidskranken. Ye Lei, der Leiter des chinesisch-amerikanischen Programms für Aids-Verhütung und die Pflege von Aids-Kranken, bezeichnet diese Geste als Meilenstein für die Aids-Verhütung und -Behandlung in China. Am 18. Februar 2004 begaben sich 76 Kader aus verschiedenen Behörden der Provinz Henan, die von der Aids-Epidemie besonders stark betroffen ist, in die „Aids-Dörfer“ dieser Provinz. In diesem Jahr werden sie die Nachbarn der Aids-Kranken sein. Ihre Hauptaufgabe ist es, der lokalen Regierung dabei zu helfen, das System der medizinischen Versorgung für die Aids-Infizierten zu vervollständigen. Darüber hinaus sollen sie dafür sorgen, dass die lokalen Behörden die Aufforderungen der Zentralregierung erfüllen. Hierbei handelt es sich um die kostenlose Abgabe von Medikamenten gegen Aids, eine kostenlose, anonyme ärztliche Untersuchung, kostenlose Maßnahmen zur Vermeidung der Aids-Übertragung von Mutter zu Kind und den gebührenfreien Schulbesuch von Waisenkindern, deren Eltern am Aids gestorben sind. Ferner sollen ältere Menschen, deren Kinder und Enkelkinder an Aids starben, Betreuung erhalten.

 

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